Ich möchte mit Euch und Ihnen meine allereinfachste Art der Meditation teilen, die ich überall und jederzeit durchführen kann. Weder brauche ich ein Kissen dafür noch einen besonderen Ort, nicht einmal die von mir so geliebte (äußere) Stille ist Bedingung. Ich brauche mich nur an einen Satz zu erinnern, den Thich Nhât Hanh uns gegeben hat (mein Lieblingssatz von ihm): Ich bin angekommen, ich bin zu Hause.
Dieser Satz führt uns sofort und geraden Wegs in die Wahrheit: die Wahrheit dessen, was wir tatsächlich sind. Wer schon eine Zeitlang meditiert, weiß natürlich: Mein wahres Wesen ist weder dieser Körper noch dieser ständig denkende Geist; beide sind nur Erscheinungen, die sich aus der Essenz des wahren Seins heraus manifestieren und wieder auflösen, in die Essenz hinein. Was aber sind wir dann? Wir sind eben dieser Urgrund aus Stille und Ruhe, in dem sich alle Phänomene des Lebens ereignen. Wir sind der Raum, in dem sie sich zeigen; wir sind der Himmel, den die Wolken durchziehen. Und dieser Urgrund ist immer da, wir haben nur nicht gelernt, ihn wahrzunehmen, weil wir zu sehr mit den Phänomenen befasst waren, die sich unablässig manifestieren - den Gedanken, Gefühlen, körperlichen Empfindungen, und im Äußeren den Menschen, Tieren und allem, was an Schönem und Schrecklichem uns umgibt.
Auf diese grundlegende Wahrheit weist der Satz von Thich Nhât Hanh hin. Am Anfang wird er meist verstanden als eine hilfreiche Übung zum Ruhigwerden, zum Zu-Sich-Kommen, um, wie es das Zen sagt, "Geist und Körper wieder zusammenzubringen". Das ist völlig in Ordnung, das ist im Alltag wichtig und ohnehin die Vorbedingung für alles Tiefere, das folgen wird. Aber wirklich verstehen werden wir diese Anweisung erst, wenn wir schon ein wenig weiter sind auf der Reise des Erwachens.
Ich bin angekommen. Ich bin schon da, ich bin
immer schon da gewesen, in meinem wahren Wesen. Wie könnte ich mein wahres Wesen verfehlen? Ich brauche es nicht zu suchen, ich brauche mich nur zu erinnern:
Ich bin zu Hause. Ich war seit jeher zu Hause, immer und überall.
Dieser Satz erschafft eine große innere Stille und Ruhe in mir. Manchmal gehe ich durch die Fußgängerzone (wer mich kennt, weiß, dass ich nur im äußersten Notfall in die Stadt fahre), neben mir rennen Menschen mit prallen Einkaufstüten, die Straßenbahn schrillt, weil wieder ein Hund auf dem Gleis ist, unter dem Gewölbe der Sparkasse, wo die Akustik so sagenhaft ist, steht wieder eine dieser anscheinend in Massen durch die Welt reisenden Panflötentruppen in buntgewebten Umhängen und spielt das unvermeidliche "El Condor Pasa", und ich, die gerade eben den doch sehr heftigen Impuls hatte, auf der Stelle nach Hause zu fliehen, weiß wieder: Ich
bin zu Hause. Ein Moment des Innehaltens, ein Atemzug, und mein Geist ist heimgekehrt an den Ort, an dem er zur Ruhe kommt, weil er dort schon immer in Ruhe weilte.
An manchen Orten fällt mir das Erinnern leicht (Blumenwiese, Seeufer), an manchen gar nicht leicht (neulich im vollgestopften Großraumabteil des ICE ...). Aber ich bin mir nach all den Jahrzehnten im Zen bewusst: Mein wahres Zuhause ist nur einen Atemzug "entfernt". Es ist bei mir, wohin ich auch gehe. Du brauchst dich nur daran zu erinnern, sagt der Satz von Thich Nhât Hanh. Dann suchst du nicht mehr im Äußeren nach Erfüllung, wenn auch vielleicht nur für diesen einen Moment. Und dann kommt vielleicht ein weiterer dieser Momente, und so wird das Erinnern ganz leicht und sanft in den Geist eingepflanzt wie ein Same:
Ich bin angekommen. Ich bin zu Hause.