Frühling/Sommer
Anfangs nicht daran geglaubt und der Sonne hinterhergelaufen, bis in die kleinste Ecke, in der sie abends um sieben noch herumlungerte. Dann allmählich ihrer Zuverlässigkeit vertraut. Aber die menschliche Undankbarkeit ist unausrottbar. Irgendwann wurde die Sonne lästig, wie jene alten Tanten, die man nicht mehr loswird. Diese Tanten, die zu viel Süßes mitbringen, so was Klebriges. Die Tiere dagegen liebten sie. Ameisen hatten sich zu Heeren zusammengefunden und marschierten in die Küche. Begegnungen mit Tauben, wo man Tauben nicht unbedingt haben will. Alles kein Zufall natürlich, das wissen die indigenen Völker. Auch die kleinste Schnecke könnte eine Botschaft mitbringen. Wachsam bleiben, höchst aufmerksam. Sie alle willkommen heißen, und ja, auch den Löwenzahn, gerade den. So wertvoll und heilsam, eine uralte Pflanze, die verkannt und verbannt wird von den Vorgärtnern in den armseligen Vorgärten der Vorstädte. Also haben wir Licht und Wärme gefeiert, mit all ihren kleinen Bewohnern. Man weiß ja nicht, ob es nicht das letzte Mal ist. Weiß man nie.
Herbst/Winter
Wie in alten Häusern, in denen ein neuer Mieter die Tapetenbahnen seiner
Vorgänger aus Jahrzehnten abzieht, blättert der Herbst der
Landschaft die Schichten von Sommerfarben ab. Zum Vorschein kommt der
raue Putz, nicht zugekleistert mit einer angeblichen Verschönerung. Das
Graubraun, das Fahlgrau, das Graugrün. Das Kantige, Struppige, Rohe,
Unebene, das Nicht-Gefällige, das leicht Schmuddelige. Das Sanfte,
Einfache. Das Ursprüngliche. Herbst ist die Zeit des Wabi-Sabi, der unvollkommenen kantigen Schönheit. Herbst ist die Jahreszeit des Zen. Die Jahreszeit meiner Seele.
Dieser Post ist ein Beitrag zur Blogparade Jahresrückblick 2022 der Fotografin Jana Mänz. Hier (klick) kannst Du alle Beiträge aufrufen.