Mittwoch, 28. Dezember 2022

Jahresrückblick in Bildern

Frühling/Sommer

Anfangs nicht daran geglaubt und der Sonne hinterhergelaufen, bis in die kleinste Ecke, in der sie abends um sieben noch herumlungerte. Dann allmählich ihrer Zuverlässigkeit vertraut. Aber die menschliche Undankbarkeit ist unausrottbar. Irgendwann wurde die Sonne lästig, wie jene alten Tanten, die man nicht mehr loswird. Diese Tanten, die zu viel Süßes mitbringen, so was Klebriges. Die Tiere dagegen liebten sie. Ameisen hatten sich zu Heeren zusammengefunden und marschierten in die Küche. Begegnungen mit Tauben, wo man Tauben nicht unbedingt haben will. Alles kein Zufall natürlich, das wissen die indigenen Völker. Auch die kleinste Schnecke könnte eine Botschaft mitbringen. Wachsam bleiben, höchst aufmerksam. Sie alle willkommen heißen, und ja, auch den Löwenzahn, gerade den. So wertvoll und heilsam, eine uralte Pflanze, die verkannt und verbannt wird von den Vorgärtnern in den armseligen Vorgärten der Vorstädte. Also haben wir Licht und Wärme gefeiert, mit all ihren kleinen Bewohnern. Man weiß ja nicht, ob es nicht das letzte Mal ist. Weiß man nie.


 

 Herbst/Winter

Wie in alten Häusern, in denen ein neuer Mieter die Tapetenbahnen seiner Vorgänger aus Jahrzehnten abzieht, blättert der Herbst der Landschaft die Schichten von Sommerfarben ab. Zum Vorschein kommt der raue Putz, nicht zugekleistert mit einer angeblichen Verschönerung. Das Graubraun, das Fahlgrau, das Graugrün. Das Kantige, Struppige, Rohe, Unebene, das Nicht-Gefällige, das leicht Schmuddelige. Das Sanfte, Einfache. Das Ursprüngliche. Herbst ist die Zeit des Wabi-Sabi, der unvollkommenen kantigen Schönheit. Herbst ist die Jahreszeit des Zen. Die Jahreszeit meiner Seele.

Dieser Post ist ein Beitrag zur Blogparade Jahresrückblick 2022 der Fotografin Jana Mänz. Hier (klick) kannst Du alle Beiträge aufrufen.  

 

Samstag, 24. Dezember 2022

Engelische Weihnachten


   

 
Mit Apollo 5, einem meiner Lieblings-Ensembles, und ihrem "The Angel Gabriel" wünsche ich Euch allen ein friedvolles, leuchtendes, engelisches Weihnachtsfest.
 
Wenn wir uns von der Vorstellung freimachen, dass Engel zwingend weiße Flügel haben müssen - wimmelt es dann nicht auf einmal in der Welt von Engeln?
 
Du findest sicher einen. Vielleicht trägt er Gummistiefel und zieht Dein Auto aus dem Graben. Oder sie stellt Dir eine Tüte Lebkuchen und einen Suppentopf vor die Tür, weil Du krank bist.
 
Vielleicht aber - also, nur so als Möglichkeit - bist Du selbst ein Engel und hast das noch gar nicht bemerkt??
 

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Wintersonnwende

 


Heute ist die längste Nacht des Jahres. Und ab morgen steigt sie, die Sonne, langsam, aber unaufhaltsam, empor. Wieder einmal haben wir es geschafft. Wieder einmal haben wir die Dunkelheit angenommen, die äußere und die innere. Wieder einmal dürfen wir dankbar sein. Wir sind immer noch da. Wir sind.

Für alle, denen es zur Zeit nicht gut geht - es sind viele -, ein paar Zeilen aus einem Gedicht von Hilde Domin:

Sieh,
die Sonne kehrt
wieder
als goldener Rauch.
Die fallende steigt.
Steigt aus den Dächern Hiobs.
Es tagt
heute
zum zweiten Mal.

Hilde Domin

 

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Resilienz

 


„Das lateinische Wort resilire bedeutet ‚abprallen, nicht anhaften‘. Wer eine buddhistische Meditationspraxis ausübt, kennt den Begriff schon. Nichtanhaftung gehört zu den wichtigsten Übungen. Leider ist sie auch eine der schwierigsten, denn sie ist keine Fertigkeit, die wir irgendwann gelernt haben und dann für immer beherrschen. Wir müssen das Nichtanhaften in jeder Situation aufs Neue praktizieren.

Was ist mit Anhaftung gemeint? Buddhistische Lehrerinnen und Lehrer sprechen gern vom monkey mind, dem Affengeist. Der ungeschulte Geist ist wie ein kleiner Affe, der nach jedem verführerisch aussehenden Ding greift, das in sein Blickfeld kommt: 'Oh, da ist eine reife duftende Banane!' Der Affe greift zu. Aber dann erblickt er hoch oben in der Palme eine ganze Bananenstaude, und das betörte Äffchen lässt die jetzt uninteressante Banane fallen, schwingt sich in den Baum und greift zur Staude. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Das kennen wir.“

 

 

Mein Beitrag in der Ursache\Wirkung 122 „Resilienz“ ist jetzt online. Hier (klick) zu lesen.

Übrigens sind viele weitere gute Beiträge drin. Hier (klick) kann man bestellen, dieses Heft wie auch alle anderen Ausgaben der Ursache\Wirkung.


Freitag, 2. Dezember 2022

Was Gutes lesen

 

Ich habe früher hier Bücher als Weihnachtsgeschenke vorgestellt. Aber, meine Lieben, das macht viel Arbeit, und deshalb schaffe ich es in diesem Jahr nicht. Doch ich will Euch nicht buchlos in die Adventszeit entlassen, deshalb hier ein Sachbuch voll Weisheit, Wärme und erstaunlicher Fakten.

Die Indigenen aus der Gegend der Great Lakes erzählen die Schöpfungsgeschichte der Erde so: Himmelsfrau fiel herunter, wurde von den Schwingen der Gänse aufgefangen und auf dem Panzer einer Schildkröte abgesetzt. Sie verteilte Erdboden auf dem Panzer, säte die mitgebrachten Samen, und so entstand die Erde: als Geschenk des Himmels und der Tiere.

Die indigene Professorin für Umweltbiologie Robin Wall Kimmerer ist Angehörige der Potawatami Nation. Als Studentin schockierte sie ihren Professor, weil sie davon überzeugt war, Wissenschaft müsse die Pflanzen selbst fragen: "Was hast du uns zu erzählen?" Für ihr Volk kommunizieren und kooperieren die Pflanzen mit den Menschen, sie geben sich als Geschenk, und ein Geschenk, sagt Kimmerer, muss in Bewegung gehalten und weitergeschenkt werden. "Es ist die menschliche Wahrnehmung, die aus der Welt ein Geschenk macht. Wenn wir die Welt auf diese Weise ansehen, werden Erdbeeren und Menschen gleichermaßen transformiert."

Ihr Volk betrachtet alles in der Natur, Pflanzen, aber auch Felsen als beseelte Wesen und spricht von ihnen nicht als ein Es, sondern als ein Sie oder Er. Und dann gibt es non-binäre Menschen (siehe mein vorhergehender Post), die sich als ein Es bezeichnen ... Darüber möchte ich nachdenken.

Die Autorin verwebt ihr persönliches Leben als Mutter zweier Töchter mit der Beobachtung von Mutter Erde, die uns Menschen ebenfalls nährt. Dankbarkeit ist ihre Haltung zur Welt. Und seit ich gelesen habe, wie mühsam es für sie und ihre Kinder war, aus den eigenen Ahornbäumen Sirup zu gewinnen, nehme ich meinen kleinen Krug mit Respekt aus dem Regal im Bioladen. 

Was lehren uns grüne Bohnen, Kürbisse, Erdbeeren und Algen? Ihr erfahrt es hier: Robin Wall Kimmerer "Geflochtenes Süßgras", Aufbau Verlag. Die Zitate oben sind von mir übersetzt. Ich bin sicher, dass Elsbeth Ranke das Buch adäquat ins Deutsche übertragen hat und dass sie, wie alle Übersetzerinnen, nichts dafür kann, dass die Marketing-Abteilung des deutschen Verlags ein starres Substantiv gemacht hat aus einem Titel, der ein TUN beinhaltet. Denn das ist schließlich die Botschaft des Buches: Wir Menschen müssen der großzügigen Erde unsere Liebe zurückgeben, indem wir für sie sorgen.