Freitag, 7. Februar 2025

Katzen, die scheinbar zufällig vor Haustüren sitzen

 

So eine Katze auf der Suche nach einem Menschen sitzt beispielsweise eines Tages auf der Gartentreppe, als habe sie jemand versehentlich dort abgestellt. Falsches Haus, falsche Treppe, die Katze blickt entschuldigend, sie kann ja nichts dafür. Wo sie nun aber schon mal da ist, schaut sie sich auch an, was ringsherum geboten wird, vor allem den Menschen, der die Tür geöffnet hat und hoffentlich Oh, eine Katze! ruft; ein gutes Zeichen, er hätte auch einen Pantoffel werfen können. Türöffnende Kinder sind vielversprechend und heikel zugleich, sie rufen Nein, ist die süß!, was gut ist, aber Süßes ist unwiderstehlich, und so packen sie schnell zu und halten die Beute am Schwanz fest, das ist schlecht. 

Wenn der Mensch, was fast immer der Fall ist, einigermaßen anständig ist und von Katzen keine Ahnung hat, tritt die Katze zerstreut um sich blickend durch die Haustür in die Diele, als suche sie jemanden, den sie verloren hat. Der anständige Mensch ist gerührt über so viel Verlorenheit und lässt, obwohl ihm das in dem Moment nicht klar ist, in einer Ecke seines Herzens die Hoffnung zu, er sei ganz persönlich derjenige, der hier gesucht und endlich gefunden wurde. Der unter allen Nachbarn Auserwählte, der in Zukunft dieses weiche braungraue Fell und diese rosa Nase beherbergen darf, obwohl er sich nie eine Katze gewünscht hat, aber Wünsche können sich ja ändern. Er sieht verdutzt und ratlos und schon ein wenig verliebt der Katze zu, die mit hoch gestelltem Schwanz seinen Schrank umrundet, seine Topfpflanze beschnuppert und probeweise an den Teppichfransen häkelt, und schließt, es ist ihm gar nicht bewusst, die Tür hinter sich und dieser Überraschung, die das Leben ausgerechnet auf seiner Treppe abgelegt hat. Die Katze registriert im Augenwinkel befriedigt die geschlossene Tür, gähnt ausgiebig und springt mit einem Satz auf das Sofa. 

Drei Stunden später kauft der Mensch im Supermarkt ein halbes Dutzend Dosen Huhn mit Gemüse in Gelee.

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Sonntag, 2. Februar 2025

Die weiße Göttin ist wieder da

 

In diesen Wochen politischer Turbulenzen und gesellschaftlicher Umbrüche muss ich mich vergewissern, dass es immer noch das Verlässliche, Wiederkehrende und Vertrauenerweckende gibt. Ich finde es in den Vorgärten und an den Rainen der Wiesen und weiß, dass auch in diesem Jahr die weiße Göttin gekommen ist.
 
Im katholischen Kalender heißt der heutige Tag Maria Lichtmess, aber die Göttin ist uralt, weit älter als die Gestalt der Maria. Schon im Megalith-Zeitalter wurde das Wachsen, Blühen, Reifen und Versamen der Vegetation als Tanz der Pflanzengöttin durch das Jahr hindurch gesehen. 

Der 2. Februar war bei den Kelten das Fest der Brigid oder Birgit, deren Namen sich von der Birke ableitet. Die Birke hat reinigende Kraft, und wer sich mit Birkenwasser gewaschen hatte, konnte rein und leicht ins Frühjahr gehen. Auch die katholische Kirche verbindet Maria Lichtmess mit dem Begriff der Reinigung, was vermutlich mit der jüdischen Auffassung zu tun hat, nach der Frauen vierzig Tage nach der Geburt eines Kindes unrein seien. Die Vierzig hat in der Bibel die Bedeutung von Besinnung, Buße und Neuorientierung. Die Fastenzeit beträgt vierzig Tage, die Sintflut wütete vierzig Tage und Nächte, Israel wanderte vierzig Jahre durch die Wüste und Jesus zog sich vierzig Tage in die Wüste zurück. Erst danach war ein Neubeginn möglich. 

Ich habe nichts davon gehört, dass es bei den Kelten um Buße ging. Ihr Neubeginn war jedenfalls hell und luftig. Brigid reitet auf einem weißen Hirsch über das Land, weckt die Samen im Boden auf und schüttelt die Bäume, sodass die Säfte zu steigen beginnen. Und wo ihr Fuß die Erde berührt, sprießen kleine weiße Glocken. (Bei meiner Nachbarin im Vorgarten!)

Im Buddhismus wird ja viel von der unablässigen Veränderung alles Seienden gesprochen und davon, dass wir uns selbst Leid erschaffen, wenn wir uns an das, was wesensmäßig vergehen muss, anklammern. Das ist natürlich völlig richtig, aber vielleicht wird zu selten betont, dass dem Vergehen ein Werden vorausgegangen ist und folgen wird. Der Gedanke wird allenfalls im Begriff Reinkarnation zusammengefasst, und die wird, um die Angst vor dem Tod zu bannen, zu oft als rein persönliche Wiederkehr gedeutet. Aber Reinkarnation findet in der Natur unablässig statt. Alles in der Natur erstirbt und bricht auf, faltet sich ein und richtet sich auf, verwelkt und sprießt, verblasst und leuchtet auf.
 
In dieser Umbruchzeit der Weltgeschichte ist es für unsere geistige Gesundheit wichtig, in Zyklen zu denken. Nichts von dem, was uns vielleicht gerade umtreibt, wird für immer bleiben. Es wird sich mit absoluter Sicherheit verwandeln. Und ja, auch wir werden bald nicht mehr die sein, die wir waren und gerade noch sind. Ob uns das Ergebnis gefällt oder nicht - wir sind auf subtile Weise schon morgen anders. Neu. Frisch. Uns selbst unbekannt.
 
Und in jedem Frühjahr wird die weiße Göttin wieder über das Land reiten und die Bäume schütteln und ihre Glöckchen erblühen lassen. Und wir werden in die Sonne blinzeln, uns dehnen und strecken, tief durchatmen und in einen weiteren unserer Sommer gehen.
 
Immer wieder. Immer noch.

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