Jede Familie hat in ihrer Geschichte mindestens ein Trauma, entstanden durch zum Beispiel Kriegsverbrechen und Wirtschaftsbetrug, Mord, Suizide und ausgegrenzte Familienmitglieder. Wenn diese Traumata nicht bewusst verarbeitet werden, können sie sich in den Nachkommen manifestieren als Depression, Suizid, Angst, Wut oder dem Gefühl der Leblosigkeit. In der Geschichte meiner Vorfahren finden sich etliche unverarbeitete Wunden, und so habe ich mich viel mit dem Thema transgenerationales Trauma befasst. Vor allem wir Deutschen - jede und jeder von uns - tragen unbewusst zwei Weltkriege mit uns herum. Unsere Eltern und Großeltern haben etwas erlebt, das zu schmerzhaft war, um es zu bearbeiten. Sie haben es verdrängt, das heißt, von seiner emotionalen Bedeutung abgespalten. Aber alles Unerledigte lebt im System weiter und will erlöst werden. Es sucht also die Kinder und Enkel heim wie ein Geist und hindert sie daran, ihr eigenes Leben zu leben und ihr Potenzial zu entfalten.
Wir alle, schreibt die israelisch-amerikanische Psychoanalytikerin Galit Atlas, kommunizieren unbewusst und ungewollt mit unseren Vorfahren. Wir wissen und fühlen Dinge, die uns nonverbal übertragen wurden, ohne ihren Ursprung zu kennen. Wenn wir das Trauma nicht weitergeben wollen an unsere Kinder und Enkel, müssen wir also den Ursprung der familiären Verstrickung finden und stellvertretend für die, die es nicht tun konnten, dem Verschwiegenen eine Sprache geben und es damit erlösen.
Das Buch von Galit Atlas ist soeben erschienen und das Beste, das ich bisher zu diesem Thema gelesen habe. Sie verwebt die Geschichten
ihrer Patientinnen und Patienten mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
und eigenen Erfahrungen als Tochter von sephardischen Juden, die in Israel ausgegrenzt wurden. Man glaubt, mitten im Sprechzimmer zu sitzen, und
verfolgt in den Gesprächen zwischen Therapeutin und Klient, wie sich allmählich
das Muster der transgenerationalen Verstrickung herausbildet. Die Lektüre ist
spannend wie ein Krimi.
Galit Atlas erzählt zum Beispiel von Leonardo, der seit zwei Jahren um die
Trennung von seinem Partner trauert, obwohl die Beziehung nicht funktioniert hat. Sein Großvater hatte Suizid begangen, und sein
Vater war lebenslang verstört, weil er sich die Schuld an diesem Tod gab. Im
Verlauf der Therapie findet Leonardo heraus, dass sein Großvater – wie er
selbst - schwul gewesen und seinen Geliebten verloren hatte. Die als skandalös
geltende Liebe des Großvaters wurde im Familienverbund totgeschwiegen und nicht
als Verlust betrauert. Erst dem Enkel fiel die Aufgabe zu, mit seiner
Trauerarbeit um den eigenen Partner die Geister zu erlösen.
Das Trauma aufzuspüren ist Detektivarbeit: Scheinbare Zufälle, Träume und Körpergefühle enthüllen allmählich die Geschichte, die sich in ihnen verbirgt. Wer sich für das Thema interessiert, sollte das Buch unbedingt lesen. Galit Atlas "Emotionales Erbe", aus dem Englischen von Monika Köpfer, Dumont Verlag
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Die Nachkriegskinder wurden in den 50er Jahren in Familien
hineingeboren, auf denen Kriegserlebnisse und Erfahrungen von Gefangenschaft,
Vertreibung und Schuld lasteten. Wie hat sich all das auf die eigenen
Lebensmuster ausgewirkt? Ihre Eltern haben
als Erwachsene den Krieg mitgemacht, die Väter meist als aktive
Kriegsteilnehmer. Die Generation ihrer Kinder begann in den 60er Jahren,
unbequeme Fragen zu stellen. War der Vater ein Täter oder Opfer? Diese Fragen wurden fast immer entweder mit tödlichem Schweigen oder empörter Bestrafung der Kinder beantwortet. Viele Kriegskinder spüren
in ihrem eigenen Leben bis heute das Trauma, das von den Eltern nicht
aufgearbeitet werden konnte. Sabine Bodes Buch ist ein Klassiker und wendet sich explizit an uns Deutsche der Generation, die unmittelbar nach Kriegsende geboren wurde. Sabine Bode "Nachkriegskinder", Klett-Cotta Taschenbuch
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Und wie geht es den Kindern der Nachkriegskinder? Als
Friedenskinder sind sie in den Zeiten des Wohlstands aufgewachsen. Es hat ihnen
an nichts gefehlt. Die Generation der zwischen 1960 und 1975 Geborenen hat mehr
Fragen als Antworten: Wieso haben viele das Gefühl, nicht genau zu wissen, wer
sie sind und was sie im Leben wollen? Wo liegen die Ursachen für diese diffuse Angst vor
der Zukunft? Die Statistik zeigt, dass viele von ihnen kinderlos bleiben. Man weiß heute, dass transgenerationale
Traumata bis in die siebte Generation hinein wirken können. Wie viel hat die
Verunsicherung der Kriegsenkel zu tun mit dem, was ihre Eltern geerbt und selbst nicht erlöst haben? Sabine Bode "Kriegsenkel", Klett-Cotta Taschenbuch
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