Nun hat sie uns verlassen, die großartige Künstlerin Mary Bauermeister. Ihr Leben passt als Beitrag zum Internationalen Frauentag. In ihrem Atelier in Köln enstand nach dem Krieg die Fluxus-Bewegung. John Cage gab Konzerte, Nam June Paik zersägte ein Klavier, Karlheinz Stockhausen komponierte. Von Stockhausen bekam Mary zwei Kinder, lebte mit ihm und seiner Frau in New York in einer Dreiecksbeziehung und war dort kurz davor, als Künstlerin weltberühmt zu werden. Aber sie konnte mit Stockhausen, mit dem sie inzwischen verheiratet war, nicht leben. Nach der Trennung begann sie, in Deutschland mit ungewöhnlichen Materialien zu arbeiten: alte Bettücher, Korken, Strohhalme und Prismen. "Ich bin immer dem gefolgt, was ich fühlte und dachte, ich bin nur mir selbst verpflichtet. Was Kunst ist, will ich gar nicht wissen von jemand anderem", sagte sie zu mir, als ich sie vor ein paar Jahren für mein SWR-Feature "Grenzen" in ihrem Atelier in Rösrath besuchte.
Es war beeindruckend, ihre monumentalen Steinbilder im Original zu sehen und durch die Prismen zu blicken, die überall im Haus hingen und die Welt in der Vielfalt zeigen, die wir mit unseren gewöhnlichen Augen nicht wahrnehmen. Und dann dieses Haus, das selbst ein Kunstwerk ist. Ineinander geschachtelte Ebenen, viel Glas, viel Licht. Schafwollteppiche und Leinenvorhänge. Vor dem Schlafzimmer das Wasserdach, bepflanzt mit Schilf und allerlei Grün, dazwischen Holzscheiben als Trittsteine. Über eine abenteuerliche Leiter erreicht man weitere Terrassen, auf der obersten ist das Gemüsegärtchen. Weit hinten am Horizont liegt die Stadt Köln. Der Garten ringsherum ist eine Mischung aus Wildnis und Kultur. Nichts ist hier modisch oder schick. Und überall Bilder und Skulpturen, Musikinstrumente, Fundstücke aus der Natur. Die Natur und die Kunst waren für Mary "Horte der Glückseligkeit".
Es war heiß, wir saßen im Garten, und Mary servierte Erdbeeren mit Schlagsahne. Sie duzte mich gleich und erzählte mir, dass sie die Deutschlandfahne auf den Kopf stellen wollte: Das Schwarz müsse unten sein und das Gold oben. Mir leuchtete das sofort ein. Mit Mary zusammen zu sein, war elektrisierend und inspirierend, aber auch überwältigend. Eine starke Persönlichkeit voller Kreativität, ihre Präsenz war raumgreifend. Wir beide hatten ähnliche spirituelle Kindheitserfahrungen, und vielleicht deshalb finde ich ihre Spiritualität in all ihren Werken.
Im Jahr 2020, als sie schon an Krebs erkrankt war, wurde ein wunderschöner Film über sie gedreht: "eins und eins ist drei". Leider ist er nur noch bis zum 5. April in der ARD-Mediathek zu sehen: hier (klick)
Mary Bauermeister starb am 2. März im Alter von 88 Jahren. "She changed levels", schrieb ihr Sohn auf Facebook. Ich werde die Begegnung mit ihr und ihrer Kunst nie vergessen.
wunderbarer Film über Mary ,herzlichen Dank fürs teilen.
AntwortenLöschenVielen Dank, ich kannte die Künstlerin tatsächlich noch nicht.
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