Samstag, 28. November 2015

Bilder aus der Stille


Klaus Schick ist ein Zen-Freund von mir. Seine Bilder entstehen aus der inneren Stille, und wer sich auf diese Bilder einlässt, wird seiner eigenen Stille begegnen. "Ich muss mit meiner Kamera allein und in der Natur sein, dann kann es zu einer Resonanz zwischen der Natur und mir kommen - wenn ich in diesen Augenblicken fähig bin, mich auf diesen subtilen Prozess einzulassen." 

In einer schwierigen Phase seines Lebens unternahm Klaus Schick lange Spaziergänge mit seiner Kamera. Da war er bereits dem Zen-Meister Thich Nhât Hanh begegnet, der seine Schüler das Präsentsein im Augenblick lehrt mit der schönen Anweisung, "die Wunder des Lebens zu berühren". Klaus entdeckte, dass die Wunder ganz nah sind, nämlich immer dort, wo wir uns gerade befinden: im Park, im eigenen Garten, in den Straßen der Stadt, in der wir leben. "Mir ist es wichtig, die Schönheit zu entdecken, die mich jeden Tag umgibt und mich weit besser nährt als die Einmaligkeit weit entfernter Orte." 


Die Bilder von Klaus Schick zeigen viel mehr als "Blumen" oder "Objekte". Sie erzählen von der Zartheit und Fragilität der Schönheit, die immer nur jetzt!, in diesem Augenblick! auf diese ganz bestimmte Weise erscheint. Nie wieder wird die Akelei mit dieser anmutigen Neigung des Kopfes in diesem besonderen Licht stehen, nie wieder wird die Sonne genau so auf die Hauswand fallen und im Zusammenspiel mit einem Geländer genau diesen Schatten werfen. Und deshalb erzählen die Fotos von Klaus Schick auch von der Vergänglichkeit und der Kostbarkeit jedes Augenblicks.


Klaus Schick fühlt sich in seiner Arbeit verbunden mit spirituellen Fotografen wie Chögyam Trungpa, Minor White und John Daido Loori. Fotografieren bedeutet für ihn: sehen lernen. Sich von allen Erwartungen und Konzepten frei zu machen und der Welt in einer Haltung zu begegnen, die das Zen "Anfängergeist" nennt. Es heißt auch, sich vom Motiv finden zu lassen, anstatt ein Bild zu "schießen", und mit dem, was sich zeigt, in stille, tiefe Resonanz zu gehen. Angelehnt an die Fünf und Vierzehn Achtsamkeitsübungen von Thich Nhât Hanh hat er die "Achtsamkeitsübungen für die Fotografie" geschrieben, deren erster Satz nicht nur für Fotografen, sondern für alle KünstlerInnen, DichterInnen und SchriftstellerInnen zum Grund-Satz werden sollte: "Als Fotografen begegnen wir der Welt mit Dankbarkeit."

Klaus Schick bietet Achtsamkeits-Retreats zur Fotografie an, in denen er Meditation, geführte Bildmeditationen und Übungen zur visuellen Wahrnehmung mit und ohne Kamera verbindet:

In Berlin am 2. und 3. April 2016, www.quelle-des-mitgefuehls.de 
In Waldbröl vom 13. bis 17. Mai 2016  www.eiab.eu
In Hohenau vom 29. September bis 3. Oktober 2016 www.intersein-zentrum.de

(Alle Bilder in diesem Beitrag sind Eigentum von Klaus Schick mindfulphotography @ gmx.de)

Montag, 16. November 2015

Thich Nhât Hanh: Promise me. Versprich mir.


Promise me, promise me this day,
promise me now, while the sun is overhead
exactly at the zenith,
promise me.

Even as they strike you down
with a mountain of hatred and violence;
even as they step on you and crush you like a worm,
even as they dismember and disembowel you,
remember, brother,
remember:
man is not our enemy.

The only thing worthy of you is compassion -
invincible, limitless, unconditional.
Hatred will never let you face
the beast in man.

One day, when you face this beast alone,
with your courage intact, your eyes kind, untroubled
(even as no one sees them),
out of your smile 
will bloom a flower.
 And those who love you
will behold you
across ten thousand worlds of birth and dying.

Alone again,
I will go on with bent head,
knowing that love has become eternal.
On the long, rough road,
the sun and the moon
will continue to shine.

Thich Nhât Hanh

(Written in 1965 in Vietnam for the young members of the School of Social Service who risked their lives in the war every day) 

****

Versprich mir, versprich mir heute,
versprich mir jetzt, während die Sonne über dir steht,
genau im Zenith,
versprich mir:

Selbst wenn sie dich niederschmettern
mit einem Berg von Hass und Gewalt,
selbst wenn sie dich zertreten wie einen Wurm,
selbst wenn sie dich zerstümmeln und ausweiden,
vergiss nicht, Bruder, vergiss nicht:
Der Mensch ist nicht unser Feind.

Einzig das Mitgefühl ist deiner würdig -
unbesiegbares, grenzenloses, unbedingtes Mitgefühl.
Hass wird dir niemals helfen, 
der Bestie im Menschen gegenüberzutreten.

Eines Tages, wenn du der Bestie begegnest, allein,
mit all deinem Mut, deinen freundlichen, ungetrübten Augen 
(selbst wenn niemand sie sieht),
wird aus deinem Lächeln eine Blume erblühen.
Und jene, die dich lieben, werden auf dich blicken,
über zehntausend Welten von Geburt und Tod hinweg.

Ich werde weitergehen mit gesenktem Kopf, wieder allein,
und wissen, die Liebe ist unsterblich geworden.
Auf dem langen, steinigen Weg
werden Sonne und Mond immer scheinen.

Thich Nhât Hanh

 

Sonntag, 8. November 2015

Das Herz gegen die Feder der Wahrheit aufwiegen


"Im Ägyptischen Totenbuch heißt es, dass nach dem Tod das Herz gegen die Feder der Wahrheit aufgewogen wird. Und nur ein Herz, das ebenso federleicht ist, zeigt an, dass der Tote ein rechtes Leben geführt hat. Was aber ist ein 'rechtes Leben'?

Vor vielen Jahren kaufte ich in der Gärtnerei eine Hortensie. Ich wollte gern eine blaue haben, aber man sagte mir, es gebe in der Natur keine blauen Hortensien; die blaue Farbe entstünde durch Zugabe eines Aluminiumdüngers. Ich kaufte eine rote Hortensie und den Aluminiumdünger und habe jedes Jahr blaue Hortensien. Im Herbst aber, wenn die Blüten absterben, verwandeln sie sich zurück in ihr ursprüngliches Rot.

Ein Freund fragte mich einmal, wie ich gerne sterben würde. Ich sagte: Ich möchte sterben als die, die ich wirklich bin. Ich wünsche mir, dass sich in den letzten Monaten, Wochen oder Stunden alles Künstliche, Aufgesetzte, Falsche, das ich noch mit mir herumtrage, einfach auflöst. Jede Schwermut, aber auch jede Hoffnung; jeder Wunsch danach, beliebter oder schöner oder erfolgreicher zu sein, jedes Bedauern über Versäumtes, jede Sehnsucht, jede Angst. Dann, stelle ich mir vor, wäre mein Herz schwerelos und federleicht.

Vielleicht ist die Angst vor dem Tod im Grunde die Angst davor, sterben zu müssen, ohne unsere ganz eigene Farbe gefunden zu haben."

(Aus: Margrit Irgang "Die Kostbarkeit des Augenblicks. Was der Tod für das Leben lehrt", Kreuz Verlag, ISBN 9783-451613036)