Sie steht an der Bordsteinkante, die rechte Vorderpfote erhoben, zögernd. Auf der anderen Straßenseite liegt ihr Zuhause oder der geheime Mäusefundplatz, jedenfalls will sie dort hin. Behutsam macht sie einen Schritt auf die Straße und weicht sofort zurück. Der Verkehrsstrom auf der Hauptstraße in meinem Vorort strömt ununterbrochen, da findet auch eine Katze keine Lücke. Klugerweise hat sie sich am Zebrastreifen vor der Bushaltestelle postiert, wo ein Fußgänger halbwegs sicher sein kann, nicht sofort über den Haufen gefahren zu werden. Ich bleibe stehen.
Katze scheint zu überlegen, ob sie sich unter die Kategorie Fußgänger einordnen darf. Ich will sie nicht zu einem Ja ermuntern, das dürfte übel ausgehen. Kein Autofahrer guckt nach unten, auch Menschen werden hier elegant umfahren, vornerum und hintenrum, vor allem Mopeds und Radler sind da sehr routiniert. Von links donnert ein Lkw heran, von rechts der abendliche Strom der Pendler aus der Stadt. Katze, sage ich, das wuppen wir gemeinsam.
Ich trete ruhig und langsam auf den Zebrastreifen, Katze eng an meinem linken Bein, und strecke dem heranrasenden Audi gebieterisch den Arm entgegen: Junge, hier geht eine kleine Katze, die du ohne meine Begleitung, da gehe ich jede Wette ein, glatt übersehen hättest. Stell dir vor, was das für Scherereien gegeben hätte, totes Tier, muss man beiseiteschaffen, lästige Zeitverschwendung, zu Hause wartet die Frau mit dem Abendessen, du darfst mir dankbar sein. Hinter der Scheibe tippt sich der Audifahrer an die Stirn. Katze springt mit einem Satz auf den Gehsteig und ich bin sicher, ich höre sie aufatmen.
Vor der Bushaltestelle gegenüber applaudiert eine alte Frau.