Sonntag, 30. Juni 2019

Anne Clark "Journey By Night"



Du bist fünfundzwanzig, alle Straßen führen in den Süden. Nachtfahrten im VW-Bus, weit offene Fenster, draußen schrillen die Grillen. Auf der Rückbank zupft einer auf der Gitarre, leise, um die Nacht nicht zu stören, ein anderer haucht in die Flöte. War der Schatten, der von Wipfel zu Wipfel flog, eine Eule? Am Himmel die Sichel des Mondes, aber im Osten dämmert schon der Morgen herauf, und mit ihm das Versprechen auf einen weiteren heißen Tag. Auch an diesem Tag wird niemand von ihnen etwas erwarten. Niemand wird einen Befehl erteilen, sie beurteilen oder kritisieren. Nichts erwartet sie außer dem großen langen Sommer, dem Meer und der Siesta auf einem immer anderen und doch immer gleichen Dorfplatz in der  heißen Mittagsstille. Ihre Bedürfnisse sind bescheiden, ein Baguette, eine Melone, ein Stück harter Käse. Wasser. Die Musik, ohne die sie nicht leben können, haben sie dabei. Noch eine Stunde, zwei Stunden. Dann werden sie den Bus in einem Wald abstellen, an einem Teich, auf einem Berg. Kaffee kochen, ihre Schlafsäcke ausbreiten und wissen: So wird es nie wieder sein.

Anne Clark hat aus einer solchen Nachtfahrt Musik gemacht: "Journey by Night".




Fahrt schön in den Sommer hinein. So wird er nie wieder sein.

Donnerstag, 27. Juni 2019

Agnès Varda und JR "Augenblicke"


Agnès Varda, die inzwischen verstorbene große Dame des Films, und der junge Künstler JR reisen durch Frankreich, fotografieren Menschen, die ihnen begegnen, und kleben die Porträts überlebensgroß auf Mauern, einen Bunker, Container. Ein Film über Menschen, Tiere, Fotografie, Film und Kunst, über das Altern und den Tod. Voller Zärtlichkeit und Wärme. Unbedingt anschauen - er läuft noch bis zum 2. Juli in der Arte-Mediathek: 


 

Samstag, 22. Juni 2019

François Cheng: "Fünf Meditationen über die Schönheit"



Seit ich dem Zen begegnet bin, denke ich darüber nach, wie man das Anliegen des Zen und die Erfahrungen, die es ermöglicht, auch anders ausdrücken könnte: als eine Kunst des Lebens, die weder den Buddhismus noch irgendeine andere Religion benötigt, nicht einmal den Begriff "Spiritualität", so dass "Zen" letztendlich auch keine "Praxis" wäre. Meine Bücher sind der Versuch einer solchen Umformulierung. Deshalb bewegt mich die Arbeit des 1929 in China geborenen und später in Frankreich lebenden Schriftstellers, Philosophen und Kalligrafen François Cheng sehr. In poetischer Sprache verbindet er die fernöstliche Philosophie mit dem abendländischen Denken; das Ergebnis ist betörend schön, und man spürt ohne Zweifel: Das ist die Erfahrung einer Wahrheit, die aus der Ganzheit kommt. 

"Wenn man plötzlich angesichts einer Naturszene, eines blühenden Baumes, eines Vogels, der unter Schreien auffliegt, eines Sonnen- oder Mondscheins, der einen Moment des Schweigens erhellt, auf die andere Seite der Szene gleitet, jenseits des Vorhangs der Phänomene, hat man den Eindruck einer Anwesenheit, die wie von selbst da ist, zu sich kommt, ganz, ungeteilt, unerklärlich und doch unleugbar; wie ein großzügiges Geschenk, das bewirkt, dass alles da ist, wundersam da, und ein Licht verbreitet in der Farbe des Ursprungs und einen vertrauten Gesang von Herz zu Herz, von Seele zu Seele murmelt."

Das Zen würde dies eine Erfahrung der Erleuchtung nennen.




Für die chinesischen Philosophen, für Cheng (und das Zen) ist das Universum selbst Bewusstsein, es ist ein intelligentes Sein, das den Menschen braucht, um sich auszudrücken: "Die Schönheit der Welt ist ein Ruf, im konkretesten Sinn des Wortes, und der Mensch, das Sprachwesen, antwortet darauf von ganzer Seele. Es ist, als ob das Universum, wenn es sich denkt, auf den Menschen wartet, um ausgedrückt zu werden."  

François Cheng spricht auch über den Atem (die grundlegende Praxis des Zen) und über "Intersein", die wechselseitige Verbundenheit alles Seienden. Als Poet und Philosoph, ohne religiöse Begriffe zu bemühen. Denn das Thema dieses schmalen, aber unermesslich reichen Buches ist ganz schlicht: die Schönheit. Große Lese-Empfehlung!


Mit Dank an Simon.




François Cheng "Fünf Meditationen über die Schönheit", aus dem Französischen von Judith Klein. C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-64526-6

Donnerstag, 13. Juni 2019

Thich Nhat Hanh: Unterstützende Bedingungen


 ... auch wenn's stürmisch wird im Leben: es ist eine unterstützende Bedingung ...


"Unterstützende Bedingungen sind von zweierlei Art: in dieselbe Richtung und in die entgegengesetzte Richtung. Wenn alles problemlos und glatt läuft, dann ist es in dieselbe Richtung. Doch manchmal sind die Bedingungen auch dergestalt, dass sie die Situation schwieriger gestalten. Manchmal begegnen Sie auf Ihrem Pfad auch Hindernissen. Vielleicht werden Sie krank, und ein Kollege macht Ihnen das Leben schwer. Doch dank der Schwierigkeiten können Sie transformiert und stärker werden. So sind auch diese letztlich unterstützende Bedingungen, auch wenn sie zunächst als Hindernisse erscheinen.

Es gibt Kiefern, die in den Bergen in sehr nährstoffarmer Erde wachsen. Die Samen haben nur sehr wenige Nährstoffe, um zu sprießen und zu wachsen. Doch aufgrund dieser Schwierigkeit hat die Kiefer die Chance, sich tief im Boden zu verwurzeln und sehr stark zu werden, sodass ein Sturm sie nicht so leicht entwurzeln kann. Hätte die Kiefer es nur mit für sie einfachen Bedingungen zu tun, dann hätte sie nicht so tief Wurzeln getrieben und sich im Boden verankert, und ein starker Wind könnte sie leichter umstürzen. Manchmal helfen uns Hindernisse und Schwierigkeiten dabei, erfolgreich zu sein.

Einen Kollegen, mit dem Sie Probleme haben, können Sie als unterstützende Bedingung ansehen, selbst wenn er Ihnen eher als Hindernis erscheint. Er lehrt Sie etwas über Ihre eigene Stärke. Praktizierende sollten stark genug sein, um beide Arten unterstützender Ursachen annehmen zu können: die, die in dieselbe Richtung, und die, die in die entgegengesetzte Richtung weist."

Thich Nhat Hanh

(Aus: Thich Nhat Hanh "Die Heilkraft buddhistischer Psychologie", aus dem Englischen von Ursula Richard, Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-22015-1)



Freitag, 7. Juni 2019

Alle Wesen sind erleuchtet


Alle Wesen sind erleuchtet.

Meine Auslegung von "Pfingsten".

Ich wünsche Euch leuchtende Feiertage.