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Dienstag, 14. März 2023

Ehrung der Weisen Frauen

 

So, dies ist der Beitrag, der eigentlich am Internationalen Frauentag erscheinen sollte, aber Mary Bauermeister war mir wichtiger. Ich ehre also heute und jeden Tag die Weisen Frauen aller Zeiten, die unsere Ahninnen und Lehrerinnen sind. Die Priesterinnen im alten Griechenland, die Eingeweihten aller Kulturen, die Schamaninnen, Hellsichtigen und Heilerinnen. All jene, die man im Mittelalter Hexen nannte und verbrannt hat, weil sie Wissen um die unsichtbaren, feinstofflichen Welten hatten; ein Wissen, das man nicht in Schulen lernen kann. Dieses Wissen ist mächtig, weil es kraftvolle Veränderungen herbeiführen kann, und deshalb bedroht es die offiziellen Hierarchien der Welt, sodass sie es vernichten wollen. Heute wie damals.

Diese Frauen wurden ermordet, aber ihr Wissen lebt weiter: In den Kräuterfrauen auf den Dörfern, die wissen, wann sie welche Heilkräuter wo pflücken und in welcher Form sie diese verabreichen müssen. In den Ärztinnen, Therapeutinnen, Akupunkteurinnen und Hebammen, die still und ohne Aufhebens altes Frauenwissen anwenden und sich von der allopathischen Medizin nicht vereinnahmen lassen. 

Ich ehre ganz persönlich die wunderbare, leider verstorbene Heilerin Pamela Sommer-Dickson, die mir die Ermächtigung für meine Arbeit gegeben hat. Und meine erste Homöopathin in München, eine knorrige hellsichtige Frau, die zwanzig Minuten lang in tiefem Schweigen in einem abgegriffenen Folianten blätterte, obwohl sie schon beim Hereinkommen ihrer Patienten wusste, welches Mittel diese brauchten; sie hat mich für immer von der Homöpathie überzeugt. Ich ehre die Aromatherapeutinnen, bei denen ich lerne, mit den kraftvollen ätherischen Ölen zu arbeiten, und die Myrrophorinnen, die "Hüterinnen der Öle", die mir die spirituelle Dimension der ätherischen Öle erschließen.

Ich ehre alle Frauen, die wissen, dass die Beherrschung des Geistes wahre Macht bedeutet, aber die Liebe die größte Kraft ist. Ich ehre alle Mütter, die intuitiv wissen, was ihre Kinder brauchen; alle Liebenden, die mit ihren Geliebten so tief verbunden sind, wie diese es nie begreifen werden; alle Lehrerinnen aller Bereiche, die ihre Erfahrungen großzügig weitergeben und in anderen Menschen Samen begießen, die zu großen starken Pflanzen werden; alle Pfarrerinnen und Dienerinnen aller Kirchen, die Missbrauch in den organisierten Religionen öffentlich machen. Ich ehre vor allem jene Künstlerinnen, die in sich wieder vereinen, was früher selbstverständlich zusammengehörte, aber für Jahrzehnte gewaltsam getrennt war: die Künstlerinnen, die mit ihrer Kunst transformieren, erwecken und heilen können.

Ich ehre alle Frauen, die sich nicht scheuen, darauf hinzuweisen, dass Krieg auf jeder Seite nur Verlierer hervorbringt und nie die Lösung ist für einen Konflikt. Die den Mut haben, Gewalt in öffentlichen Stellungnahmen abzulehnen, auch gegen die Empörung einer angeblichen Mehrheit. Stellvertretend für diese zitiere ich die frühere Grünen-Abgeordnete Antje Vollmer: "Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren, einzigartigen und wunderbaren Planenten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption."

Ich ehre alle Frauen, die sich weigern, anderen Frauen weiterhin so zu begegnen, wie es uns allen beigebracht wurde: mit Neid und Eifersucht und Vergleich, mit Abwertung der anderen und Aufwertung der eigenen Person. Mit Augen, die in der anderen eine Konkurrentin sehen, weil das eigene Herz voll Angst und Unsicherheit ist.

Ich ehre alle Frauen, die so frei im Geist sind, dass sie anderen Frauen als Schwestern begegnen können.


Mittwoch, 8. März 2023

Mary Bauermeister 1934 - 2023

 


Nun hat sie uns verlassen, die großartige Künstlerin Mary Bauermeister. Ihr Leben passt als Beitrag zum Internationalen Frauentag. In ihrem Atelier in Köln enstand nach dem Krieg die Fluxus-Bewegung. John Cage gab Konzerte, Nam June Paik zersägte ein Klavier, Karlheinz Stockhausen komponierte. Von Stockhausen bekam Mary zwei Kinder, lebte mit ihm und seiner Frau in New York in einer Dreiecksbeziehung und war dort kurz davor, als Künstlerin weltberühmt zu werden. Aber sie konnte mit Stockhausen, mit dem sie inzwischen verheiratet war, nicht leben. Nach der Trennung begann sie, in Deutschland mit ungewöhnlichen Materialien zu arbeiten: alte Bettücher, Korken, Strohhalme und Prismen. "Ich bin immer dem gefolgt, was ich fühlte und dachte, ich bin nur mir selbst verpflichtet. Was Kunst ist, will ich gar nicht wissen von jemand anderem", sagte sie zu mir, als ich sie vor ein paar Jahren für mein SWR-Feature "Grenzen" in ihrem Atelier in Rösrath besuchte.

Es war beeindruckend, ihre monumentalen Steinbilder im Original zu sehen und durch die Prismen zu blicken, die überall im Haus hingen und die Welt in der Vielfalt zeigen, die wir mit unseren gewöhnlichen Augen nicht wahrnehmen. Und dann dieses Haus, das selbst ein Kunstwerk ist. Ineinander geschachtelte Ebenen, viel Glas, viel Licht. Schafwollteppiche und Leinenvorhänge. Vor dem Schlafzimmer das Wasserdach, bepflanzt mit Schilf und allerlei Grün, dazwischen Holzscheiben als Trittsteine. Über eine abenteuerliche Leiter erreicht man weitere Terrassen, auf der obersten ist das Gemüsegärtchen. Weit hinten am Horizont liegt die Stadt Köln. Der Garten ringsherum ist eine Mischung aus Wildnis und Kultur. Nichts ist hier modisch oder schick. Und überall Bilder und Skulpturen, Musikinstrumente, Fundstücke aus der Natur. Die Natur und die Kunst waren für Mary "Horte der Glückseligkeit". 

Es war heiß, wir saßen im Garten, und Mary servierte Erdbeeren mit Schlagsahne. Sie duzte mich gleich und erzählte mir, dass sie die Deutschlandfahne auf den Kopf stellen wollte: Das Schwarz müsse unten sein und das Gold oben. Mir leuchtete das sofort ein. Mit Mary zusammen zu sein, war elektrisierend und inspirierend, aber auch überwältigend. Eine starke Persönlichkeit voller Kreativität, ihre Präsenz war raumgreifend. Wir beide hatten ähnliche spirituelle Kindheitserfahrungen, und vielleicht deshalb finde ich ihre Spiritualität in all ihren Werken.

Im Jahr 2020, als sie schon an Krebs erkrankt war, wurde ein wunderschöner Film über sie gedreht: "eins und eins ist drei". Leider ist er nur noch bis zum 5. April in der ARD-Mediathek zu sehen: hier (klick)

Mary Bauermeister starb am 2. März im Alter von 88 Jahren. "She changed levels", schrieb ihr Sohn auf Facebook. Ich werde die Begegnung mit ihr und ihrer Kunst nie vergessen.

 

Montag, 13. Februar 2023

Rebecca Louise Law

 

 
 
Ich folge der Künstlerin Rebecca Louise Law seit Langem auf Instagram. Mit getrockneten Blüten erschafft sie eine stille und zarte Schönheit, die atemberaubend ist. "We need to simplify things again. We need to look at the beauty in just being."

Bis Ende August zeigt die Kunsthalle München eine ihrer großen Installationen, für die Münchnerinnen und Münchner Hunderttausende Blüten gesammelt und auf Draht gezogen haben. Ich glaube, ich muss in diesem Jahr nach München fahren.

 

 

Dies ist ein ausführlicher Film über Rebecca und ihre Arbeit. Und hier (klick)   ist der Beitrag über die Münchner Ausstellung in der Kultursendung "titel thesen temperamente".

"Leben heißt lernen, Zeit verstreichen zu lassen."

So ein schönes Werk. 


Sonntag, 6. November 2022

Music for the time of silence

 

... Into the weather you come and you go
In the darkest of nights there’s a sweep and a glow
And a flash that resounds with a sailor’s “land ho!”
And the voyages left behind

The seasons will pass, and the night into day
For all who will leave us, and all who will stay
If time is an ocean, then life is a bay
But it’s better than ever you’ll find… on these little islands in time
These little islands sublime.

 

Alex de Steiguer - Fotografin, Musikerin - lebt den Winter über allein als Wächterin auf Star Island vor der Küste von New Hampshire. Ich habe über sie hier (klick) geschrieben.

Ich wünsche euch, dass ihr in diesem Winter eure kleinen Inseln inmitten der Zeit findet. 


Samstag, 6. August 2022

Die Verwandten der alten Frau

 

"Einmal begegnete ein junger Mönch auf Pilgerschaft einer alten Frau, die allein in einer Hütte lebte. Der Mönch fragte: "Hast du irgendwelche Verwandten?" Sie sagte: "Ja." Der Mönch fragte: "Wo sind sie?" Sie antwortete: "Die Berge, die Flüsse, die Pflanzen, die Bäume, die ganze Erde - sie sind alle meine Verwandten." (Zen-Geschichte aus China, 9. Jh)

Ein Mönch trifft auf eine Frau, die alleine im Wald lebt. Welch unerhörte Lebensform für eine Frau im 9. Jahrhundert. (Selbst heute noch nicht selbstverständlich. Eine Frau, die alleine lebt, ruft bei manchen Menschen Misstrauen hervor.) Der junge Mönch ist also irritiert. In seiner Welt leben Frauen in Gemeinschaften. Wenn sie keinen Mann haben, finden sich immer Schwestern, Cousinen oder Nichten, die ihnen in ihren Familien Obdach bieten. Vielleicht ist der Mönch also misstrauisch. Was stimmt nicht mit dieser Alten in ihrer Hütte?

Vielleicht aber fragt er aus Besorgnis. Diese Frau könnte meine Großmutter sein; in dem Alter darf sie nicht alleine im Wald leben. Was ist, wenn sie krank wird? Jemand muss sich um sie kümmern, muss ihr Tee kochen, Feuerholz sammeln. (Er wird dieser Jemand nicht sein, er ist auf Pilgerschaft, um erleuchtet zu werden. Und außerdem ist er ja nicht mit ihr verwandt.) Vielleicht spürt er an diesem Punkt der Begegnung eine leichte Ungeduld. Er fühlt sich verpflichtet, die Alte bei ihrer Sippe abzuliefern, jetzt, wo sie ihm nun mal begegnet ist, denn er ist ein verantwortungsvoller Mensch. Eigentlich hat er keine Zeit für Umwege, wie gesagt, er ist auf Pilgerschaft, um erleuchtet zu werden.

Dumm nur, dass er nicht sieht, dass sie bereits inmitten ihrer Verwandten lebt. Sie sagt nicht: Die Berge, Flüsse und Pflanzen sind meine Freunde. Nein, sie sind ihre ihre Familie. Diese Familie ist, wie jede gute Familie, fürsorglich. Sie versorgt ihre Großmutter (die gleichzeitig, das ist das wunderbare Geheimnis, auch ihr Kind ist) mit allem, was sie braucht an Luft, Licht, Nahrung und Wärme. Die alte Eremitin lebt im beständigen respektvollen Austausch mit allem, was ist, in einem Geben und Nehmen, das sich nicht erschöpft. Im Kreislauf des Wachsens und Sterbens. Und sie weiß etwas, das sie dem jungen Mönch ganz nebenbei in ihrem Satz mitgeteilt hat: Auch sie ist ein absterbender Baum, der bald in den großen Kreislauf der Veränderung eingehen wird. Ein Baum, der zu Humus zerfällt, damit aus ihm neue Bäumchen wachsen können. Auch der junge Mönch wird in gar nicht so ferner Zeit zu Humus zerfallen. Das weiß er theoretisch natürlich, wie man so vieles theoretisch weiß in der Jugend, aber es ist für ihn noch nicht zur Gefühlsrealität geworden. In seiner Vorstellung liegt das Leben noch vor ihm, und in dieses Leben geht er auf seiner Pilgerschaft Schritt für Schritt hinein.

Weil das Leben scheinbar vor ihm liegt, er aber bereits mittendrin ist, entgeht ihm, dass die Eremitin ihm gerade ein Koan gestellt hat. Koans kennt er, mit denen arbeitet er auf dem Kissen im Zendo, aber die werden vom Abt seines Klosters gegeben, ganz sicher nicht von einer alten Frau in einer baufälligen Hütte. Er hört die Antwort der Eremitin auf der Alltagsebene, sie wurde aber auf einer anderen Ebene gegeben: Aus der absoluten Dimension heraus, der Tiefe des Seins, in der sie beide, die Alte und der Junge, nicht nur verwandt, sondern verbunden sind. Wäre der Mönch in diesem Moment wach gewesen, hätte der kurze Austausch sein Leben verändern können. Das Dharma entfaltete sich in dieser Begegnung von zehn Minuten sichtbar vor seinen Augen: Die Verbundenheit von allem, was ist, und die unentrinnbare Vergänglichkeit von allem, was ist. 

Und er begriff es nicht.

Ich nehme an, er ging immer weiter in ein Leben hinein, das ihn irgendwo zu erwarten schien, ohne dass er es erreichen konnte, und die Erleuchtung war ihm, er wusste selbst nicht wieso, immer ein paar Schritte voraus, uneinholbar.


Donnerstag, 7. Oktober 2021

Sarah Lesch "Das mit dem Mond"

 

 

Wieder einmal die fabelhafte Sarah Lesch, die hier lange nicht zu hören war. Nicht neu, aber aktuell. Melancholie und Hoffnung, Bitterkeit und Trotz, Dunkelheit und Licht gleichzeitig auszudrücken, ohne kitschig zu werden - das muss man erst mal können. 

Vielleicht war die Wahrheit erträglich
Vielleicht sind die Schulden egal
Vielleicht sind wir gar nicht so hilflos
Vielleicht haben wir eine Wahl
Vielleicht geht man tanzen
Vielleicht hat man Arbeit
Und versucht, die Angst zu vergessen
Vielleicht hat man heute Nacht jemand verloren
Vielleicht hat man selbst nichts zu Essen.