Mittwoch, 15. Februar 2017
Frau Irgang bäckt die wirklich knusprige (und dazu noch glutenfreie) Pizza
Warum stelle ich hier hin und wieder so etwas Banales wie Kochrezepte vor, obwohl es doch auf diesem Blog um ernstzunehmende Spiritualität geht? Als Erklärung verweise ich 1. auf meinen Post vom 20. Januar ("Form ist Leerheit. Leerheit ist Form"), 2. auf das Motto dieses Blogs "die poesie des augenblicks" und 3. auf Seite 117 in meinem Buch "Wunderbare Unvollkommenheit"; der Text trägt den Titel "Vom Kochen der Suppe", und er gehört zu dem Kapitel "Tief in der Arbeit".
Alles klar? Dann holen wir jetzt mal ein Backblech, eine Waage und eine Schüssel und fangen an.
Der Boden:
80 g glutenfreie Mehlmischung (ich nehme die von Bauck aus dem Bioladen)
45 g Buchweizenmehl
1/2 TL Psyllium husk (gemahlener Flohsamen)
12 g frische Hefe
100 ml lauwarmes Wasser
1/4 TL Salz
1 EL Olivenöl
Die Hefe im lauwarmen Wasser auflösen; alle Zutaten einschließlich des Hefewassers rasch verrühren. Ein Backblech mit Backpapier auslegen, den Teig auf dem Papier unter einer Lage Frischhaltefolie sehr dünn ausrollen und zugedeckt an warmem Ort 30 Minuten gehen lassen. Backofen auf 220 Grad vorheizen. In der Zwischenzeit den Belag vorbereiten. Bei mir heute:
Der Belag:
Eine Handvoll Champignons sehr dünn blättern, mit einem Spritzer Olivenöl, einer zerdrückten Knoblauchzehe und etwas getrocknetem Basilikum kurz in der Pfanne anrösten. Mit Salz und Pfeffer würzen, beiseite stellen.
1/2 Glas Bio-Tomatensauce, 1 EL Ricotta und 1 TL Red Pesto verrühren, kräftig würzen mit Chili, Cayenne-Pfeffer und Salz. Die Mischung auf den Boden streichen, die Champignons verteilen, eine Handvoll geriebenen Käse und eine zerzupfte Kugel Mozzarella darüberstreuen.
Pizza ca. 15 Minuten bei Ober- und Unterhitze backen. Dann das Blech auf den Ofenboden stellen und noch weitere 2-5 Minuten backen (je nach Herd). Aufpassen, dass der Pizzaboden nicht verbrennt.
Die Pizza ist wirklich knusprig und schmeckt besser als die bei meinem Italiener an der Ecke! Guten Appetit!
Sonntag, 12. Februar 2017
Ken Wilber: Religion - oder eine Spiritualität, die transformiert?
Fotos: Margrit Irgang, Proesi via Wikipedia, Fangkong via Wikipedia |
Als ich vor über dreißig Jahren meine Zen-Praxis aufnahm, hatte ich große Probleme mit meinem christlichen Umfeld. Man war der Meinung, ich sei auf einem gefährlichen Weg, "das Östliche" sei "für uns westliche Menschen" ein Rückschritt. Das Christentum, so die allgemeine Ansicht, sei "weiter" als der Buddhismus, und ein anthroposophischer Freund versuchte geradezu fanatisch, mich davon zu überzeugen, dass "Jesus die Reinkarnation von Buddha" sei. Das Vergleichen zweier Religionen war an sich schon absurd, aber das Wichtigste entging meinen Bekannten, weil ich es einfach nicht vermitteln konnte: Ich bewegte mich gar nicht im religiösen Kontext.
Ich hatte schon als Kind das, was ich heute (ungern, ich mag den Ausdruck nicht, finde aber keinen passenderen) "spirituelle Erfahrungen" nennen würde. Es gab niemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte; erst, als mir im Alter von 18 Jahren ein Zen-Buch in die Hände fiel, erkannte ich darin Teile meiner Erfahrungen wieder. Das Zen-Training, das ich später aufnahm, war wie Heimkommen für mich: Ich verstand auf einmal, was ich erlebt hatte und wie ich es in einen großen Kontext einordnen konnte. Und ich lernte weiter (und lerne immer noch, es gibt kein Ende). Ich hatte eine spirituelle Praxis aufgenommen, die alle Annahmen über das Wesen des Seins und alle Illusionen über mein "Ich" zu transformieren versprach.
Kürzlich fiel mir zu diesem Thema beim Aufräumen ein langer Artikel von Ken Wilber in die Hände, den ich vor -zig Jahren ausgedruckt habe. Er ist irgendwann in der Zeitschrift "What is Enlightenment?" erschienen. Ich möchte ihn hier in Auszügen zusammenfassen, denn er befasst sich genau mit diesem Thema: Was ist Religion - und was ist eine Spiritualität, die transformiert?
Für Wilber hat Religion zwei Funktionen. In ihrer ersten bietet sie Mythen, Legenden und Rituale an. "Diese Funktion der Religion ändert normalerweise nicht den Grad des Bewusstseins eines Menschen. Sie führt zu keiner radikalen Transformation. Und sie sorgt auch nicht für eine umfassende Befreiung vom getrennten Selbst. Vielmehr tröstet sie das Selbst, baut es auf, verteidigt es, fördert es." Die zweiten Funktion der Religion sieht Wilber "normalerweise für eine sehr, sehr kleine Minderheit" in einer radikalen Transformation und Befreiung. "Diese Funktion der Religion stärkt nicht das getrennte Selbst, sondern zerschmettert es und bedeutet nicht Trost, sondern Zerstörung, nicht Einigelung, sondern Leere, nicht Wohlbehagen, sondern Revolution."
Die erste Funktion nennt Wilber "Übersetzung", also eine Auslegung von Welt-Erfahrung, die dem Leben Sinn verleiht. Die zweite Funktion nennt er "Transformation". Die erste Funktion wird von der institutionellen Religion ausgeübt, die zweite fällt in den Bereich, in dem die Mystiker zu Hause sind. Und diese hatten - und haben eigentlich immer noch - Probleme mit der Kirche. Wer wie Meister Eckhart klar erkannt hat, "Gott ist nicht verschieden von mir", braucht keine Institution mehr, die ihm eine "Übersetzung" liefert. Er hat selbst erfahren, gesehen, erkannt. Denn, wie es Wilber ausdrückt: "Eine authentische Transformation ist keine Frage des Glaubens, sondern des Todes des Glaubenden, keine Frage der Übersetzung der Welt, sondern der Transformation der Welt. Nicht darum, wie man Trost findet, geht es, sondern wie man die Unendlichkeit jenseits des Todes findet."
Das klingt alles sehr radikal, nicht wahr? Erschreckend vielleicht? Als Frau möchte ich das deshalb etwas sanfter formulieren. Ich habe bei etlichen Menschen erlebt, dass die neue Sicht manchmal ganz leise daherkommt, auf Katzenpfoten. Als Erstaunen, als Staunen. Als Glück sogar: Sieh an, dieses vom Ganzen abgetrennte "Ich" gibt es gar nicht. Das ist "der Tod des Glaubenden", und davor haben die meisten Menschen Angst. Ich habe bemerkt, dass selbst in spirituellen Schulen, die transformative Praktiken anbieten - Zen, Vipassana, Sufismus - die wenigsten Menschen "die Unendlichkeit jenseites des Todes" finden wollen.
Fotos: Schorle via Wikipedia, zenways.org, Margrit Irgang |
Natürlich spielt die Religion im Zusammenleben der Menschen eine wichtige Rolle. Wo wären wir ohne den gesellschaftlichen Hintergrund der Zehn Gebote im Christentum und der Gelöbnisse im Buddhismus, die eine zumindest grundlegende Ethik bereitstellen, die unsere Welt rudimentär zusammenhält? Wo wären wir ohne das Engagement von religiösen Menschen, die schlecht bezahlt oder unbezahlt Gemeindearbeit und karitative Hilfe leisten? Religion begleitet Geburt und Tod mit Ritualen und bietet eine Deutung an. Wilber sieht den Wert der Religion vor allem für den für die Erfahrung der Transzendenz unvorbereiteten Geist. "Diejenigen, die nicht angemessen übersetzen können, enden schnell in Neurosen oder sogar Psychosen. Das ist kein Durchbruch, sondern Zusammenbruch, nicht Transzendenz, sondern Desaster. Doch ab einem bestimmten Punkt innerhalb unseres Reifungsprozesses hört die Übersetzung einfach auf, uns zu trösten. Kein neuer Glaube für das Selbst, sondern die Transzendenz des Selbst insgesamt ist der Weg."
Was also tun wir, wenn uns Trost nicht mehr interessiert, wir keine weiteren Geschichten und Legenden hören wollen, aber sehen und erfahren wollen, anstatt zu glauben? Wir nehmen eine spirituelle Praxis auf, die uns transformiert. "Sie selbst, in der Unmittelbarkeit Ihres gegenwärtigen Bewusstseins, sind tatsächlich die ganze Welt, mit all ihrem Frost und ihrem Fieber, mit all ihrem Glanz und ihrer Würde, mit all ihren Erfolgen und ihrer Trauer. Sie sehen nicht bloß die Sonne, Sie sind die Sonne; Sie hören nicht den Regen, Sie sind der Regen. Sie fühlen nicht die Erde, Sie sind die Erde. Und so hat die Übersetzung in allen Bereichen ein Ende gefunden, und Sie wurden in das Herz des Kosmos transformiert - und dort, genau dort, wird alles ganz einfach, ganz still aufgelöst. Unter diesem offensichtlichen Schock der Erkenntnis - wo Ihr Selbst Ihr Meister und dieses Selbst der Kosmos und der Kosmos Ihre Seele ist - werden Sie in sanfter Weise durch die Nebel der Welt schreiten und diese vollständig transformieren, ohne etwas zu tun."
(Zitate aus: Ken Wilber "Eine Spiritualität, die transformiert". What is Enlightenment, Jahr unbekannt)
Montag, 6. Februar 2017
Schubert "Nacht und Träume"
Nun muss ich mich nach einem Jahr Proben von Schubert verabschieden. Mein Chor sang in zwei schönen intensiven Konzerten am Wochenende die Chorfassung von Schuberts "Winterreise" und Schuberts Messe in G-Dur. Eine neue Probenphase beginnt, mit anderer Literatur.
Und so schenke ich mir zum Abschied von Schubert diese zauberhafte Aufnahme seines Liedes "Nacht und Träume", das in unserem Konzert von der Sopranistin Jutta Plomer gesungen wurde.
Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern, dass sie in dieser politisch so heftigen Zeit, in der das Grobe und Gewöhnliche immer mehr Raum einnimmt, das Träumen nicht vergessen.
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