"Black Forest", aus "Waldeinsamkeit"
Die Natur ist bedroht, ihr Feind ist der Mensch. Wir wissen das, wir hören und lesen es jeden Tag in den Medien. Warum haben all diese Statistiken, Mahnungen und Aufrufe so wenig Erfolg? Weil sie abstrakt bleiben; Zahlen und Drohungen erreichen unser Gefühl nicht. Wir brauchen Appelle, die unmittelbar unsere Sinne ansprechen. Mit anderen Worten: Wir brauchen die Künstler.
Im Frieder Burda Museum in Baden-Baden habe ich die schöne Ausstellung "I Feel the Earth Whisper" gesehen. Die beiden Künstler, die mir am besten gefallen haben, stelle ich euch hier vor.
Der Amerikaner Sam Falls hat seinen Raum "Waldeinsamkeit" genannt. Was geschieht im Wald, wenn wir ihn in Ruhe lassen? Er hat im Schwarzwald eine riesige Leinwand ausgelegt, sie mit Blumen, Gräsern und Zweigen bestückt und mit natürlichen Pigmenten bestreut. Licht, Sonne und Regen arbeiteten an der Leinwand, "fotografierten" die Objekte und schufen das Bild, das ihr oben seht. Es ist nicht nur atemberaubend schön, es macht auch nachdenklich, denn es erzählt von der Vergänglichkeit. Wir sehen nicht die Objekte selbst, wir sehen das, was sie beim Sterben hinterlassen haben. Es gibt sie nicht mehr, und doch haben sie einen "bleibenden Eindruck" hinterlassen. Und so ist die Arbeit von Sam Falls (es gibt noch mehr Bilder und Skulpturen von ihm zu sehen) ganz nebenbei und ohne dies zu thematisieren spirituell.
Der zweite Künstler der ausgestellten vier, der mir Freude gemacht hat, ist der Brasilianer Ernesto Neto. Sein Beitrag für die Ausstellung "The Birth of Contemporous Blue Tree" in der dreizehn Meter hohen Eingangshalle war in ihrer schieren Größe, der Lebendigkeit und Farbenfreude für mich unmöglich zu fotografieren. Neto hat ein Zelt erschaffen, einen "Raum der Harmonie und Heilung", dessen Mittelpunkt eine monumentale Baum-Skulptur aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen ist. An ihr und um sie herum hängen ebenfalls gehäkelte Körbe, die mit duftenden Kräutern und Gewürzen gefüllt sind.
"Zeitgenössische Kunst will über die Oberfläche hinausgehen", schreibt Neto. "Sie strebt nach Transparenz, Einheit in der Vielfalt, sie ist naturgemäß symbiotisch. Sie achtet Zerbrechlichkeit, sie will die Welt mit sorgsamer Aufmerksamkeit und Liebe berühren. Sie weiß, dass Poesie hier ist, jetzt, im stillen Gesang unseres Atmens."
Der Raum hat eine unglaublich warme, bergende Qualität. Umhäkelte Meditationskissen laden dazu ein, sich niederzulassen. Trommeln, Flöten und Klangschalen liegen herum, auch mein Lieblings-Instrument, die Handpan, die hier zu spielen ich euch aber nicht empfehle. Es ist so eine billige Pfanne aus dem Online-Versand, und die Umhäkelung tut ein Übriges dazu, den Sound zu ersticken.
Aber wie schön zu sehen, dass die Menschen die Einladung zum Mitmachen annehmen. Sie probieren die Instrumente aus, riechen an den Kräuterkörben und sind glücklich, dass man endlich in einer Ausstellung mal was anfassen darf. Als ich ging, fiel eine Kindergruppe ein, im wahrsten Sinne des Wortes, und verwandelte das Zelt mit Trommeln, Flöten und Klangschalen in eine schamanistische Zeremonien-Hütte. Und ich sah: Genau so ist dieses Kunstwerk gedacht, so hat Neto es sich vorgestellt. Als einen Raum der Begegnung, der Freude, des Spiels.
Der Vollständigkeit halber seien die beiden von mir nicht vorgestellten Künstler/innen erwähnt: Bianca Bondi und Julian Charrière. Die Ausstellung ist noch bis 3. November zu sehen. Alle Informationen hier (klick) Ein Audio im SWR über die Vorbereitungen hier (klick)
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