Sonntag, 26. Januar 2014

Meditation

Foto: Dieter Schütz www.pixelio.de

Mais kochen
von Thich Nhât Hanh

Wenn wir in Vietnam einen Topf getrockneten Mais kochen, richten wir das Feuer auf den Topfboden. Einige Stunden später lösen sich die Kerne und brechen auf. Wenn eine Henne auf ihren Eiern sitzt, wachsen die Küken darin allmählich, bis sie soweit sind, die Schale aufzupicken. Dies sind Bilder für die Wirkung der Meditationspraxis.

Das Ziel dieser Praxis ist es, das wahre Gesicht der Realität zu sehen, nämlich Geist und Geistesobjekt. Wenn wir von Geist und Außenwelt sprechen, sind wir sofort in einem dualistischen Konzept des Universums gefangen. Die Wirkung von Meditation ist die des Feuers unter dem Topf und der Wärme der Henne auf den Eiern. In beiden Fällen gibt es weder Argumentieren noch Analysieren, nur geduldige, ununterbrochene Konzentration. Wir können der Wahrheit erlauben, sich zu zeigen, aber wir können sie nicht mit Hilfe von Mathematik, Geometrie, Philosophie oder irgendeiner anderen Vorstellung unseres Intellekts beschreiben.

Cooking a Pot of Corn
by Thich Nhât Hanh

In Vietnam, when we cook a pot of dried corn, we concentrate the fire under the pot and several hours later the kernels come loose and split open. When a hen sits on her eggs, the chicks inside gradually take form until they are ready to peck their way out. These are images which illustrate the effect of practicing meditation.

The aim of this practice is to see the true face of reality, which is mind and mind-object. When we speak of mind and of the outside world, we immediately are caught in a dualistic conception of the universe. The effect of meditation is like the fire under the pot, and the hen’s warmth on her eggs. In these cases, there is no attempt at reasoning or analysis, just patient and continuous  concentration. We can allow the truth to appear, but we cannot describe it using math, geometry, philosophy, or any other image of our intellect.

Mittwoch, 22. Januar 2014

Bücher sind Katzen

Quelle: missliterati.com

Bücher sind Katzen: Sie laufen einem zu. Meinen ersten Hermann Hesse ("Lektüre für Minuten") fand ich in der Mülltonne, als ich, die Vierzehnjährige, den Familienmüll entsorgte. Ich fischte das Buch heraus, säuberte es, und eine jahrelange Hesse-Leidenschaft begann. In einem Regionalzug fand ich einmal einen Mircea Eliade. Gut, ich fand auch mal Hera Lind, die habe ich liegen gelassen. Aber Eliade! Neulich probte der Chor in einem Gemeindehaus. Ein Regal voller Bücher zog mich an mit einem großen Schild: "Alle Bücher dürfen kostenlos mitgenommen werden." Es klang ein wenig wie diese flehenden Anzeigen in Wochenblättern: "Einen Wurf süßer Baby-Kätzchen abzugeben".

Meine eigenen Bücher sind extreme Streuner. Eine Leserin fand ein Buch von mir "auf der Blumeninsel Madeira in einem alten Bücherschrank", eine andere in der gemieteten Ferienwohnung. Ein Seminar-Teilnehmer erzählte: "... da lag ein Buch von dir irgendwo einfach so rum". Eine Leserin ging mit ihrem Sohn, einem Kunststudenten, zu einem Großhändler für Künstlerbedarf und fand ein Buch von mir in der kleinen Kunstbuchecke, wo es thematisch gar nicht hingehörte. Einer Leserin wurde eines meiner Bücher von einem ihr Unbekannten auf dem Flug von Birmingham nach Frankfurt empfohlen. Ich selbst fand mal ein zerlesenes Exemplar meines Kinderbuches auf einem Flohmarkt mit der Widmung "Der lieben Melanie zum Geburtstag".

Sie glauben, Sie hätten sich Ihre Katze ausgesucht? Sie unschuldige Seele. Das liebe Kätzchen hatte Sie bereits wahrgenommen, bevor Sie von ihm auch nur ein Schnurrhaar gesehen haben, und hat sich elegant und unauffällig in Ihr Blickfeld geschoben! Sie meinen, Sie würden sich Ihre Lektüre selber wählen? Nichts zu machen: Die Bücher wissen genau, welcher Mensch sie braucht, und legen sich dem Menschen vor die Füße. Es darf notfalls auch eine Mülltonne sein. Katzen und Bücher sind einfach klüger als wir.

E-Books allerdings liegen nirgendwo herum. Nein, das ist kein Vorteil, das ist ein schrecklicher Verlust! Selbst wenn jemand seinen Kindle irgendwo verlieren sollte und wir die Finder sind, kommen wir an die Bücher in ihm nicht ran - uns fehlt das Passwort.

Ich sage es mit einem etwas variierten Spruch von Loriot: "Ein Leben ohne Bücher und Katzen ist möglich, aber nicht sinnvoll."

Mittwoch, 15. Januar 2014

Das Leuchten und der Schmerz


Eine genaue und kluge Rezension des Buches ist in "Buddhismus aktuell" erschienen. Dort schreibt Anna Pesch: "Die "Leuchtende Stille" leuchtet nicht nur zwischen den Zeilen all der kleinen, feinen Beobachtungen zunächst oft ganz alltäglich erscheinender Dinge, die sich für mich durch den genauen respektvollen Blick der Autorin in Offenbarungen für das Wunder des Lebens und Lebendigseins verwandeln. Sie leuchtet auch, inspiriert durch die Lektüre, so meine Erfahrung, verstärkt im eigenen Alltag auf und lässt ihn erstrahlen."

Aber es wurde auch gesehen, dass das Buch sich in wesentlichen Teilen mit Schmerzhaftem auseinandersetzt: "Wie tief dieses Zen doch ist, das unseren existenziellen Schmerz als Wesen, die ihrer selbst bewusst sind, ernst nimmt und nicht in 3 Schritten oder mit leichten Übungen oder 10 Tipps wegtherapieren will."

Die ganze Rezension können Sie lesen unter www.buddhismus-aktuell.de  Menupunkt "Rezensionen".

Dienstag, 24. Dezember 2013

Stille Nacht

Foto: Almut Bieber www.pixelio.de

Über dem Schwarzwald zieht die Nacht auf, erste Sterne sind zu sehen. Die Geschäfte sind geschlossen, die Weihnachtsmarktbuden verriegelt. Der Schulhof mit dem großen Weihnachtsbaum ist verlassen. Ein paar Autos fahren noch rasch nach Hause; ein junges Mädchen mit einem Paket unterm Arm überquert die Straße. Die Nachbarin führt ihren Hund vors Haus; auf das Feld darf er an diesem Abend nicht, heute muss der Baum genügen. Dann schließt auch sie ihre Tür. Die Straßen sind leer. In den Häusern werden die Kerzen entzündet.

Das ist der Moment, in dem die Stille kommt.

Sie steigt aus den Gärten, sie schwebt vom Himmel, sie dehnt sich aus und wird ganz weit und groß. Jetzt und hier darf sie ungestört bei sich sein. Die Stille ist das Wunder dieser Nacht.

Eine Frau, warm eingewickelt in Mantel und Mütze, geht langsam durch die Straßen, absichtslos, ziellos. Sie ist ganz bei sich, und eben deshalb verbunden mit denen, die hinter den Fenstern im Kerzenschein sitzen. Sie geht, von Stille eingehüllt, durch das Wunder dieser Nacht, ein glücklicher Mensch.

Ich wünsche auch Ihnen das Glück, einem Wunder zu begegnen.

Freitag, 20. Dezember 2013

O Tannenbaum


Vor langer Zeit hast du dich geopfert, um Papier entstehen zu lassen, aus dem ein Buch geworden ist. Jetzt hat sich das Buch zurückverwandelt in einen Baum.

Bevor ich nun empörte E-Mails bekomme wegen meines brutalen Umgangs mit Büchern, hier mein Gedanke dazu: Das Buch ist nur die Erscheinungsform des Geistes, der den Autor und die Autorin beseelt. Und der Baum ist nur die Erscheinungsform des Geistes ...  ?

Vielleicht hat die Frage was mit Weihnachten zu tun.

Die Anleitung zum Falten des Buchbaumes finden Sie hier. Ein guter Rat zum Schluss: Nehmen Sie für Ihren Baum kein Buch von mir. Meine Bücher sind dafür nicht dick genug.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Begegnung mit Maha Ghosananda

Foto: Cambodian Wikipedia, Samnang
Ich begegnete ihm an einem Novemberabend in Warschau im Jahr 1993. Er saß zwischen dreißig Zuhörern auf dem Boden, die Beine in Lotosposition gefaltet, ein federleichtes Lächeln in den Augen, und sagte ganz schlichte Sätze: „Wenn du Frieden schaffen willst, beginne damit in deinem Herzen. Sorge gut für dich selbst, liebe dich selbst.“

Sie machten dann eine Pause, und Maha Ghosananda winkte mich, die einzige Deutsche im Raum, herüber. Zögernd stand ich auf und ging auf ihn zu. Er lächelte und bedeutete mir, mich zu setzen. „Deutschland ist ein wichtiges Land“, sagte er. „Deutschland hat spirituelle Kraft.“ „Aber wir lieben uns nicht“, sagte ich. Er nickte und sah in sich hinein. Er schwieg. Ich schwieg. Wir saßen in unserem Kreis aus Stille, und ich dachte an mein Land, dessen Menschen sich nicht lieben können, weil die Scham über ihre Vergangenheit sie nicht loslässt.

Erst Monate später, als ich wieder in Deutschland war, recherchierte ich und fand heraus, wem ich da einen Abend lang in kleinstem Kreis gegenübergesessen hatte. Samdech Preah Maha Ghosananda, geboren in Kambodscha, war einer der brillantesten Mönchs-Gelehrten seines Landes. Er lebte im thailändischen Klosterexil, während die Roten Khmer seine gesamte Familie ermordeten. Später kehrte er in sein Land zurück und führte 1992 den ersten Friedensmarsch in Kambodscha an. Kurz nach seiner Rückkehr überreichte er jedem, den er traf, mit einer Verbeugung einen Zettel mit den Sätzen des Buddha: „Hass wird nicht durch Hass besiegt. Hass wird durch Liebe besiegt. Dies ist ein ewiges Gesetz.“

Dieser große kleine Mann, den kennenzulernen ich die Ehre hatte, starb 2007. Maha bedeutet übrigens „großer freudvoller Verkünder“.

(Mehr über Maha Ghosananda und meine Arbeit in Warschau in meinem Buch „Leuchtende Stille“, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-30732-4)

Freitag, 22. November 2013

Eckhart Tolle: "Jetzt!"


Ein wunderbares Buch, das wahrscheinlich schon jeder kennt, der meinen Blog liest - ich stelle es trotzdem vor. Eckhart Tolle gehört keiner "Schule" an, keiner Religion, keiner wie immer gearteteten spirituellen Richtung. Dennoch hat er, wie er sagt, von etlichen Zen-Meistern gelernt: "alle waren Katzen". Wenn das kein verwandter Geist ist!

Besonders gefällt mir sein Ansatz, unseren gesammelten Schmerz als "Schmerzkörper" zu bezeichnen, als "unsichtbares Wesen mit seiner eigenen Persönlichkeit", als "psychischen Schmarotzer". Wer einmal überraschend mit der Wut eines anderen (oder der eigenen ...) konfrontiert wurde, wird bestätigen: "Alles kann ihn aktivieren, besonders dann, wenn er mit einem Schmerzmuster aus deiner Vergangenheit in Resonanz geht. Er kann sich als Verärgerung ausdrücken, als Ungeduld, finstere Stimmung, als Wunsch zu verletzen, als Wut, Depression, als Bedürfnis nach Drama in deiner Beziehung und so weiter. Greife ihn dir in dem Moment, wo er aus seinem Ruhezustand erwacht."

Dasselbe sagt das Zen: Sei auf der Hut. Beobachte genau, was in dir vorgeht, und bemerke jedes Gefühl, jeden Gedanken bereits im Entstehen, um bewusst zu bleiben und Gefühl und Gedanken nicht blind zu folgen. Haben Gefühl und Gedanke erst ein Eigenleben gewonnen, bist du ganz in ihrer Hand und verlierst jede Kontrolle.

Nachdem so viel von Schmerz die Rede war, hier noch ein "schönes" Zitat: "Sage ja zum Leben - und schau, wie das Leben plötzlich beginnt, für dich zu arbeiten anstatt gegen dich."

Eckhart Tolle "Jetzt!", aus dem Amerikanischen von Christina Bolam und Marianne Savita Nentwig, Kamphausen Verlag

Montag, 18. November 2013

Der philosophische Kater über: Interesse


"Was macht sie da? Schreibt sie was? Was schreibt sie denn? Schreibt sie über mich? Oh, der Bleistift ist hübsch. Der rollt so schön übern Schreibtisch.

Menschen glauben immer, wir Katzen seien neugierig. Nein, nein. Wir sind interessiert! Warum sollten wir neugierig sein? Ist nicht alles immer wieder anders, also neu? Ich spiele immer mit demselben Faden, klappere immer wieder mit dem Schlüsselbund, der so einladend an der Tür baumelt, und immer wieder schimpft sie deswegen mit mir. Aber jedes Mal ist ein neues Mal. Die Menschen grübeln dauernd über Vergangenes nach und leben so selten in der Gegenwart. Und wenn sie mal auftauchen aus ihren Grübeleien, sind sie gierig nach Neuem, anstatt einfach das anzuschauen, was schon immer da war. Der Faden. Der Schlüsselbund. Ihre Finger, die über die Tasten hüpfen. Oh, jetzt ist der Bleistift vom Schreibtisch gefallen!

Ich finde das Leben wahnsinnig interessant."

Samstag, 9. November 2013

Das Wort zum Samstag


Dein heilender Einfluss ist nicht von deinem Tun abhängig, sondern von deinem Sein. Wer dir begegnet, wird von deiner Gegenwärtigkeit und von dem Frieden berührt, den du ausstrahlst, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Wenn du völlig gegenwärtig bist, hast du nicht mehr das Bedürfnis, auf das unbewusste Verhalten anderer zu reagieren, du verleihst ihm keine Realität mehr. Daran zerbricht der Kreislauf von Aktion und Reaktion. Tiere, Bäume und Blumen werden deinen Frieden spüren und ihn erwidern. 

Du lehrst durch dein Sein. Du wirst zum "Licht der Welt". Du befreist die Welt von Unbewusstheit.

Wer du bist, ist die wesentliche Lehre. Durch dein Sein verwandelst du die Welt mehr als durch dein Reden und durch dein Tun.

Eckhart Tolle

Samstag, 2. November 2013

Die Noch-nicht-Rose


Noch einmal hat mein Rosenstrauch eine Knospe ausgetrieben. Eine pralle, fest gefüllte, aufbruchsbereite Kapsel. Drinnen die komplett ausgebildete Möglichkeit einer Rosenblüte. Es brauchte gar nicht viel, um die Blüte zum Blühen zu bringen: Ein wenig Licht, ein wenig Wärme, Schneelosigkeit, Nachtfrostabwesenheit.

Wird sie es schaffen, die Knospe, zur letzten Rose des Jahres zu werden?

Ich habe noch ein paar Knospen in mir, zum Platzen gefüllt mit komplett ausgeformten Möglichkeiten. Es brauchte gar nicht viel, um die Knospen zum Blühen zu bringen ...