Quelle: missliterati.com |
Bücher sind Katzen: Sie laufen einem zu. Meinen ersten Hermann Hesse ("Lektüre für Minuten") fand ich in der Mülltonne, als ich, die Vierzehnjährige, den Familienmüll entsorgte. Ich fischte das Buch heraus, säuberte es, und eine jahrelange Hesse-Leidenschaft begann. In einem Regionalzug fand ich einmal einen Mircea Eliade. Gut, ich fand auch mal Hera Lind, die habe ich liegen gelassen. Aber Eliade! Neulich probte der Chor in einem Gemeindehaus. Ein Regal voller Bücher zog mich an mit einem großen Schild: "Alle Bücher dürfen kostenlos mitgenommen werden." Es klang ein wenig wie diese flehenden Anzeigen in Wochenblättern: "Einen Wurf süßer Baby-Kätzchen abzugeben".
Meine eigenen Bücher sind extreme Streuner. Eine Leserin fand ein Buch von mir "auf der Blumeninsel Madeira in einem alten Bücherschrank", eine andere in der gemieteten Ferienwohnung. Ein Seminar-Teilnehmer erzählte: "... da lag ein Buch von dir irgendwo einfach so rum". Eine Leserin ging mit ihrem Sohn, einem Kunststudenten, zu einem Großhändler für Künstlerbedarf und fand ein Buch von mir in der kleinen Kunstbuchecke, wo es thematisch gar nicht hingehörte. Einer Leserin wurde eines meiner Bücher von einem ihr Unbekannten auf dem Flug von Birmingham nach Frankfurt empfohlen. Ich selbst fand mal ein zerlesenes Exemplar meines Kinderbuches auf einem Flohmarkt mit der Widmung "Der lieben Melanie zum Geburtstag".
Sie glauben, Sie hätten sich Ihre Katze ausgesucht? Sie unschuldige Seele. Das liebe Kätzchen hatte Sie bereits wahrgenommen, bevor Sie von ihm auch nur ein Schnurrhaar gesehen haben, und hat sich elegant und unauffällig in Ihr Blickfeld geschoben! Sie meinen, Sie würden sich Ihre Lektüre selber wählen? Nichts zu machen: Die Bücher wissen genau, welcher Mensch sie braucht, und legen sich dem Menschen vor die Füße. Es darf notfalls auch eine Mülltonne sein. Katzen und Bücher sind einfach klüger als wir.
E-Books allerdings liegen nirgendwo herum. Nein, das ist kein Vorteil, das ist ein schrecklicher Verlust! Selbst wenn jemand seinen Kindle irgendwo verlieren sollte und wir die Finder sind, kommen wir an die Bücher in ihm nicht ran - uns fehlt das Passwort.
Ich sage es mit einem etwas variierten Spruch von Loriot: "Ein Leben ohne Bücher und Katzen ist möglich, aber nicht sinnvoll."
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