Dienstag, 12. Juli 2022

Sparsam


Ich stehe in der Toilette des Schwimmbads und will mir die Hände waschen. Das Wasser läuft bereits in breitem Strahl, es plätschert ganz alleine vor sich hin. Das tut es offenbar schon eine ganze Weile, denn die beiden Frauen, von denen eine wohl den Hahn aufgedreht hatte, unterhalten sich lebhaft. Ich schließe demonstrativ den Hahn, was keine der beiden bemerkt, und mich beschleicht die Befürchtung, dass das mit dem kollektiven Energiesparen nicht so einfach werden wird.

In den Medien werden mir Vorschläge gemacht, wo ich überall sparen kann. Der Topf soll nicht kleiner sein als die Herdplatte, die Wäsche könnte ich auch auf der Leine trocknen, und ich soll duschen (mit einem Sparduschkopf) statt baden. Ich frage mich, in was für einer Welt der Üppigkeit jene Menschen, die hier angesprochen werden, früher ihre Energie verprasst haben. Diese Art sparsamen Lebens war in meiner Kindheit selbstverständlich und ist es noch heute. 

Da muss ein gewaltiges Umdenken stattfinden, und wenn das klappt, wird das Ergebnis gesellschaftlich geradezu revolutionär sein. Robert Habeck macht das schon richtig, wenn er das Thema Sparen in einen großen Zusammenhang stellt. Spart, damit wir alle so schnell wie möglich unabhängig werden von fossilen Energien (und Putin uns nicht mehr erpressen kann). Nun hatten die Grünen ja lange den Beinamen "Verbots-Partei", und ich fürchte, die Gleichsetzung von Sparen und Verbieten spukt noch in vielen Köpfen herum. Und dann der unangenehme Gedanke: Ich muss mich einschränken. Ich werde weniger haben (Ich werde zu wenig haben! Das halte ich nicht aus!).
 
Mein Herkunftswörterbuch hat wieder einmal fabelhafte Antworten zu bieten. Das Adjektiv "sparsam" in der Bedeutung von "kärglich" wird erst seit dem 16. Jahrhundert gebraucht. Ursprünglich hatte das Wort "sparen" den Sinn "etwas bewahren, unversehrt erhalten". Mein Duden erklärt trocken, dass das Wort "besonders im Deutschen" die Bedeutung bekam "für später zurücklegen, weniger ausgeben". Im Deutschen, ja, ja ... In anderen Ländern sieht das ganz anders aus. Sowohl das englische "spare" als auch das russische (sic!) "spory" hatten die Bedeutung "reichlich, lang ausreichend". Das Ganze hat eine gemeinsame indogermanische Wurzel, die bedeutete "sich ausdehnen, gedeihen, vorwärtskommen". Und zur selben Wurzel gehört das Wort "spes", was die Hoffnung bedeutet, und "sperare", hoffen.

Ist doch eigentlich alles gesagt, nicht wahr?


3 Kommentare:

  1. Liebe Margit Irgang. Danke sehr für diese Gedanken (und viele andere mehr,- ich liebe Ihre Bücher...). Hier noch eine kleine Ergänzung: im Französischen heißt sparen « économiser ». Es also «ökonomisch machen » = besser verwerten. Das würde hier ja auch genau passen : Wasser sparen, Energie sparen.... Herzliche Grüße von Zora M.

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  2. Vielen Dank für Ihre wunderbaren Anregungen - eben auch zum Thema " sparen".. Ich bin Slavist und Liebhaber der rusischen Sprache. Wenn man in Deepl " wir müssen sparen " eingibt, bekommt man auf russisch (wörtlich) "wir müssen retten"(my dolschny spasti)..Phantastisch! Herzlichen Dank Ihnen! Siegfries Hipp

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  3. Herzlichen Dank für die Ergänzungen aus dem Französischen und Russischen. Sprache ist etwas Wunderbares, nicht wahr?

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