Raynor und Moth haben durch Gutgläubigkeit ihre Farm verloren, und Moth hat eine unheilbare Krankheit. Sie sind obdachlos, packen ihre Rucksäcke und wandern den 1000 km langen South West Path an der englischen West-Südküste. Zelten in der Wildnis, leben von Instant-Nudeln und Pommes, erfahren Hilfsbereitschaft und Aggression. Dieses Backpacker-Paar Anfang Fünfzig besitzt nichts mehr und hat keine Zukunft, die Knochen schmerzen, die Schlafsäcke sind zu dünn, Iboprofen wird in Mengen genommen, aber welch eine tiefe Liebe haben sie zum Wind, dem Meer, den Vögeln. Sie leben radikal im Augenblick, und am Ende werden sie stark sein, auch Moth. "Das Leben findet jetzt statt, in dieser Minute. Es ist alles, was wir haben. Es ist alles, was wir brauchen." Raynor Winn "Der Salzpfad", Dumont, als TB bei Goldmann
Dr. Wolf-Dieter Storl, Kulturanthropologe und Ethnobotaniker, ist einer der seltenen Wissenschaftler, die nach tieferen Antworten für die Phänomene der Natur suchen. Er hat von den Medizinmännern der Indianer und den indischen Sadhus gelernt, fünf Jahre in einer anthroposophischen Gemeinschaft als Demeter-Gärtner gearbeitet, kennt sich mit Schamanenpflanzen und Heilkräutern ebenso aus wie mit heimischem Gemüse und erzählt in diesem Buch - seiner "Lebensernte" - fesselnd, klug und sehr persönlich von Pflanzen, Tieren, Märchen, Jahreszeiten und seinen Reisen. Und er berichtet über seine Wahrnehmungen "an der Schnittstelle zwischen unserer Seele und den nicht-materiellen inneren Dimensionen der Natur". Ich mag alle seine Bücher; wer Storl kennenlernen will, sollte mit diesem anfangen. Wolf-Dieter Storl "Einsichten und Weitblicke", mit Fotos seiner Tochter Lisa Storl, AT Verlag
Als Helen Macdonalds Vater gestorben ist, richtet sie sich einen Habicht ab, den sie Mabel nennt. Was als Trauerarbeit gedacht war, wird zur Besessenheit. Helen zieht sich zurück aus der Welt der Menschen; die symbiotische Beziehung zu Mabel droht, selbstzerstörerisch zu werden. Schließlich geht sie mit Mabel jagen und treibt dem Habicht Kaninchen und Fasane als Beute zu. Immer wieder fragte ich mich: Geht das, darf man so mit einem wilden Tier verschmelzen? Aber das Buch ist umwerfend in Sprache und Form - wild, betörend schön und traurig, klug und hellsichtig. "Der Sog des Habichts, meine uralte Sehnsucht, die Dinge aus der Perspektive des Greifvogels betrachten zu können. Ein sicheres und einzelgängerisches Leben zu führen." Helen Macdonald "H wie Habicht", als TB bei Ullstein
Erschienen bereits 1999, von mir leider erst jetzt entdeckt. Alexander wächst in der Nachkriegszeit in der spießigen Enge der holländischen Provinz auf in einer Lumpensammlerfamilie, in der er sich fremd und verlassen fühlt. Seltsamerweise wird er gezwungen, bei einem Fest Klavier zu spielen und wird dabei Zeuge eines Mordes. Bis in sein Erwachsenenleben verfolgt ihn das Trauma, der Mörder könnte ihn erkannt haben und töten wollen. Trost findet er in der Musik, er wird ein berühmter Pianist. Auf seiner Suche nach der Wahrheit dessen, was damals geschah, kommt er einem Geflecht aus Schuld und Verrat auf die Spur, das bis in die Kriesgzeit reicht. Was für ein großartiger Roman.
Maarten 't Hart "Das Wüten der ganzen Welt", Piper Verlag
Alex ist Ex-Fußballprofi und Lehrer in Sinderby. Zusammen mit dem Schuldirektor, einem Exilungarn und Philosophen, will er mit dem örtlichen Fußballverein die englische Meisterschaft gewinnen. Er stellt ein schräges Team zusammen: Einen Torhüter, der gerne aufräumt, einen depressiven Stürmer und den Pfarrer, dessen Schwester eine Zeugin Jehovas ist. Sie haben nicht mehr als eine Wiese zur Verfügung, werden von gegnerischen Mannschaften verhöhnt, stolpern sich durch die Qualifikationsspiele und schaffen es tatsächlich bis ins Wembley-Stadion. Das ist kein Roman über Fußball, sondern eine hinreißende Geschichte über Außenseiter, die ihren Traum wahrmachen. Humorvoll, liebevoll und weise - denn sie wissen auch sehr gut, dass sich Träume nicht wiederholen lassen.
J.L.Carr "Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten", Dumont Verlag