Dienstag, 16. April 2019

Japan #1: die Natur


In dem Film "Hanami" von Doris Dörrie sehnt sich Rudis Frau Trudi lebenslang danach, einmal den Fuji zu sehen. Als sie überraschend gestorben ist, fährt Rudi nach Japan, um stellvertretend für Trudi den Fuji anzuschauen. Aber Fuji-san, der Eigenwillige, verbirgt sich viele Tage im Nebel.

Ich habe mich fünfzig Jahre danach gesehnt, das Japan des Zen zu sehen. Als ich ankam, zeigte sich Fuji-san in ganzer Schönheit.


Ein sanfter Frühlingsregen in den Gärten des Heian-Schreins in Kyoto. Kleine Wege eröffnen immer neue Ausblicke, Teiche spiegeln den Himmel, Kirschblütenzweige neigen sich zum Boden, beladen mit winzigen rosafarbenen Blüten. Jede Blüte ein kunstvoll gefaltetes Origami. Leise Klänge zwischen den Bäumen: der "Frühling" aus den "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi. Die Kirschblüten sind überall das Ziel einer Pilgerreise. Ich sah Japaner in Kyoto auf Decken unter Bäumen sitzen und mit glücklichem Lächeln Reiskuchen verspeisen, während der Regen über ihre großen durchsichtigen Plastikschirme perlte. Jetzt habe ich auch den Sinn dieser allgegenwärtigen Schirme verstanden: Sie erlauben den Blick auf die Natur.


Garten im Tempel Taizo-in

Ach, die Zengärten. Ich hätte stundenlang sitzen und sie betrachten können. Der Geist beginnt zu fließen mit dem in Wellenbewegung gerechten Kies, er gleitet an Steinen vorbei, die groß erscheinen wie Felsen, umrundet sanft geschwungene Inseln aus Moos. Der Blick kann sich nirgendwo festhalten, kann sich nicht niederlassen zu irgendeiner Endgültigkeit, denn der Garten ist ein Abbild der Lehre Buddhas: Alles fließt, alles verändert sich unablässig. Glaube nicht an etwas Festes, Immerwährendes. Halte dich selbst nicht fest - auch du veränderst dich in jedem Augenblick. Irgendwo im Tempel erklingt eine tiefe Glocke, eine von den riesigen, die mit einem baumstammartigen Schlegel angestoßen werden, wozu man, wie ich aus Plum Village weiß, zwei Mönche braucht. Kräftige Mönche.


Daibutsu, Kamakura

Natürlich stellt man jedem Buddha jeden Tag frische Blumen vor die Füße, aber die Buddhas sitzen ja ohnehin immer in schönster Landschaft, umkränzt von Kirschblüten, im Herbst von flammenden Blättern. Der Japaner liebt die Natur und behandelt sie mit Zartheit. Und wenn er - was vermutlich für 99 % aller Japaner zutrifft - nicht in einem Tempel lebt, sondern so beengt, wie ein Japaner nun mal wohnen muss, dann hängt er sich eben ein paar Töpfchen vor die Tür.


Ich werde Euch mit zwei weiteren Beiträgen über Japan langweilen. Der nächste befasst sich mit Zen und Religion. Stay tuned!

2 Kommentare:

  1. Danke für die Beiträge, vielleicht passt mein Buchvorschlag dazu.
    Ich lese zur Zeit mit Begeisterung das Buch "Eintauchen in den Wald" v. der in Bayern lebenden Japanerin Miki Sakamoto.
    Liebe Grüße Gitti Haas

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    1. Danke für den Hinweis! Das recherchiere ich gleich. Liebe Grüße Margrit

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