Was für ein mystischer Ort. Unter uralten Zedern verwittern Grabsteine, mit Moos bepolstert. In absoluter Stille wandelt die Pilgerin (also ich) zum Heiligtum, dem Mausoleum von Daio Kokushi. Der Begründer des Shingon-Buddhismus soll dort seit 1184 Jahren in ewiger Meditation verweilen. In der atemberaubend schönen Laternenhalle brennen 10.000 Laternen Tag und Nacht und auf Ewigkeit. (Fotografieren leider, aber verständlicherweise verboten.) Und immer wieder leuchten im Waldesdunkel die roten Mützchen und Lätzchen der Jizo-Figuren auf. Jizo (im Zen bekannt als der Bodhisattva Kshitigarbha) gilt als Schutzgott der gestorbenen Kinder (ganz nebenbei auch: der Reisenden). Nach der japanischen Mythologie leben die Seelen gestorbener Kinder in einer Zwischenwelt. Jizo soll sie über den mythologischen Fluss geleiten, und damit Jizo ihr Kind auch findet, binden japanische Eltern den Figuren persönliche Lätzchen der Kinder um.
Was aber ist Shingon-Buddhismus? Da musste ich Wikipedia bemühen. Daio Kokushi, erfuhr ich, lehrte die Möglichkeit der Erleuchtung für jeden in diesem Leben, im Gegensatz zur damals herrschenden Auffassung, nach der man Äonen praktizieren musste. Das klingt zwar sehr nach Zen, ist es aber nicht. Die Erleuchtung im Shingon nämlich kann nur erlangt werden nach einer vorherigen Einweihung in geheime Lehren, die in einem Ritual vollzogen wird. Shingon ist, im Gegensatz zum Zen, eine Religion.
In unserer Tempelherberge bekamen wir ein köstliches veganes Abendessen serviert, und morgens um sechs nahm ich am Ritualgebet der Mönche teil. Die Gästezimmer ganz traditionell mit dem Futon auf Tatami-Matten, dem Yukata (Hausmantel) für den Onsen (das Badebecken mit sehr heißem Wasser) - und einem Fernseher. Nun ja, auf dem Berg ist abends nichts los, das WLAN höchst unzuverlässig, man will sich seine kostbaren zahlenden Gäste nicht vergraulen ...
Wo aber versteckt sich eigentlich das Zen?
Ich habe acht Jahre im japanischen Zen praktiziert. Eine sehr wichtige Zeit für mich, für die ich immer dankbar sein werde. Ich habe aber auch erlebt, dass dem Titel Roshi, der einst eine hohe Stufe der Verwirklichung bezeichnete, die in langer mühsamer Praxis erworben und bestätigt werden musste, nicht immer zu trauen ist. In japanischen Tempeln wird der Titel Roshi zumeist vererbt vom Vater auf den Sohn, und die "Einführung in Zen" für Touristengruppen ist eine einträgliche Geldquelle (eine Stunde mit anschließender Tasse Tee für 5000 Yen pro Person, hörte ich - Irrtum vorbehalten, aber unwahrscheinlich). Ganz sicher gibt es noch Tempel, in denen ernsthaft Zen praktiziert wird. Ich habe sie nicht gesucht. Auch aus erwähnten Gründen habe ich mich einst entschlossen, mich Thich Nhat Hanh anzuschließen, diesem tief aufrichtigen Mönch und Meister.
Aber all dies ist im Grunde völlig unwichtig. Denn im Zen geht es um etwas anderes, und dieses Andere ist in Japan lebendig. Ein wenig mehr dazu im dritten und letzten Teil meiner Japan-Serie.
Es klingt wunderbar und fast magisch...
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