Dienstag, 4. September 2018

Das Singen der Dinge



Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Rainer Maria Rilke

Ich empfinde das genauso ...
 

5 Kommentare:

  1. Dazu eine kleine Geschichte von heute Abend. In der U-Bahn singt ein kleines Mädchen ein Lied. Ihre Eltern sitzen sich gegenüber und starren äußerst missmutig aus dem Fenster. Plötzlich trällert sie Mendelssohns Hochzeitsmarsch und bittet ihren Vater der Mama zu sagen, dass er sie liebt. Dazu hat er keine Lust. Sie fasst ihm ans Kinn, bewegt es mit der Hand auf und ab und sagt mit tiefer Stimme: „Mamma, ich liebe dich.“ Auch der Unterkiefer der Mamma muss von ihr aktiviert werden. Sie legt ihr die entsprechenden Worte mit piepsiger Stimme in den Mund. Dann stellt sie sich wieder vor ihren Vater, der seine Frau nun wenigstens ansieht, schnappt sich seinen Unterkiefer und sagt: „Hiermit nehmen ich dich zur Frau.“ Gleicher Ablauf bei seiner Frau, die auch nicht mitspielen will. Auf Aufforderung seiner Tochter tut der Vater so, als ob er seiner Frau einen Ring ansteckt. „Jetzt müsst ihr euch küssen, ihr müsst euch küssen…“ Nach der zehnten Aufforderung geben sie sich endlich einen kleinen Kuss. „Oh, der rote Bahnhof, wir müssen aussteigen!“ Sie zieht ihre Eltern, die nun endlich lächeln, hinter sich aus der U-Bahn. So eine schöne U-Bahn-Hochzeit! Ein Zauber liegt in allen Dingen und manchmal ist er sehr deutlich zu erkennen. Simon

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    1. Ja, das ist wirklich "die Poesie des Augenblicks". Vielleicht solltest Du auch einen Blog schreiben?

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    2. Eigener Blog? Ich verstehe Deine Blogbeiträge als Aufruf zu bestimmten Themen, hier Rilkes Gedicht, eigene thematisch passende Beiträge zu verfassen (Kommentare). Man kann Kommentare aber auch als einzeilige Meinungsäußerung definieren. Wie stellst Du Dir das vor? Ich passe mich gerne an. Simon

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    3. Oh, da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Meine Antwort war ein Ausdruck der Bewunderung für Deine fundierten Beiträge. Ich finde es schade, dass sie hier unten im Kommentarbereich stehen. Sie gehören eher in die Sichtbarkeit. So meinte ich das.

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