Dienstag, 25. September 2018

Schmerz. Verlust. Enttäuschung.


"Normalerweise haben wir das Gefühl, dass unser Leben glattgehen soll, und wenn wir beginnen, uns deprimiert, einsam oder unzulänglich zu fühlen, glauben wir, einen Fehler gemacht oder das gute Gefühl verloren zu haben. Aber wenn wir unerwünschten Gefühlen begegnen, ist das ein wichtiger Moment auf dem spirituellen Weg. Genau dann kann Transformation stattfinden.

Solange wir darin gefangen sind, ständig Sicherheit und Glück zu suchen, anstatt den Geschmack, den Geruch und die Qualität genau dessen, was gerade geschieht, zu ehren - solange wir ständig vor dem Unbehagen davonrennen, sind wir in einem Zyklus von Unglücklichsein und Enttäuschung gefangen und fühlen uns immer schwächer.

Es ist ermutigend zu sehen, dass innere Stärke uns in eben dem Moment zur Verfügung steht, in dem wir das Gefühl haben, am Boden zu liegen; dann, wenn die Umstände am schlimmsten sind. Anstatt uns zu fragen: "Wie kann ich Sicherheit und Glück finden?", könnten wir fragen: "Kann ich das Zentrum meines Schmerzes berühren? Kann ich sitzen mit dem Leiden, sowohl deinem wie auch meinem, ohne zu versuchen, es loszuwerden? Kann ich dem Schmerz des Verlusts oder der Schmach - Enttäuschung in jeder Form - wach und präsent begegnen und ihm erlauben, mich zu öffnen?" Das ist der Trick.

Hilfreich ist auch, den Fokus zu verändern und zu sehen, wie wir Widerstände aufbauen. In diesen Momenten können wir beobachten, wie wir uns zurückziehen und selbstzentriert werden. Wir werden trocken, sauer, ängstlich; wir grummeln oder verhärten uns aus Angst vor weiterem Schmerz. Auf altvertraute Weise errichten wir automatisch ein Schutzschild, und unsere Selbstbezogenheit verstärkt sich.

Aber genau in diesem Moment könnten wir etwas anders tun. Mit Hilfe unserer Praxis können wir die Mauern sehen, die wir um unser Herz und unser ganzes Wesen herum aufgerichtet haben. Wir können erfahren, wie wir uns verstecken, einlullen, wie wir einfrieren. Wenn wir unsere Widerstände zutiefst erfahren und ihnen unsere ganze Aufmerksamkeit geben, beginnen sie erstaunlicherweise sich aufzulösen.

Lasst euch von euren Schwierigkeiten transfomieren. Es wird geschehen. Nach meiner Erfahrung brauchen wir nur ein wenig Unterstützung, um zu lernen, nicht davonzulaufen."

 Pema Chödrön, 
amerikanische Nonne in der tibetischen Shambhala-Tradition


6 Kommentare:

  1. Ja und ja und ja! Und in jedem Körnchen der Sonnenblume steckt die Sonne...so verbindet sie bei tiefer Beugung Erde und Sonne. Und das macht wieder heil.

    Ich schreib Dir mal...wenn Du magst :-). liebe Grüße, Taija

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    1. Bin doch da :-)...allerdings etwas still und mit vielen Dingen langsamer. es gibt viel Neues zu tun. Ich werde schreiben.

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  2. Der Text tut mir gut - rüttelt mich ein wenig auf.... ja es stimmt - man kann sich der Situation auch anders gegenüberstellen. Danke -werde weiter nachdenken.
    liebe Grüße von Ellen

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  3. Kann ich sitzen mit dem Leiden? fragt Pema Chödrön. Ja, das kann ich, meistens. Das hat aber weniger mit einem „Trick“ zu tun. Da gefällt mir die Formulierung von Chögyam Trungpa besser, wenn er von der „Kunst der meditativen Erfahrung“ spricht (in deinem vorherigen Beitrag). Denn wenn ich mit dem Leiden sitze und mich wieder und wieder auf all die schmerzhaften Dinge konzentriere, kann das auf Dauer deprimierend sein. Zu viel Bitterkeit, die Leichtigkeit bleibt auf der Strecke. Dies zu erkennen ist schwierig, es ist eine Kunst! Dann sollte ich nämlich aufstehen, gehen und über die kleinen Dinge des Alltags staunen. Mir ab und zu ein kleines Wunder des Alltags einprägen oder ein Foto machen.
    Simon.

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    1. Ich bin absolut dafür, ein Foto zu machen ... Natürlich kann man auch das Fotografieren dazu benutzen, vor dem Schmerz davonzulaufen. Mir gefällt der Begriff "Trick" auch nicht, aber ich bin eine gehorsame Übersetzerin. Wie Du sagst, es ist eine Frage der klugen Balance, wie alles im Leben. Immer wieder hineinzuspüren: Was ist jetzt, in diesem Moment, heilsam. Ich komme dann sehr oft zu der Antwort, dass ein Spaziergang mit der Kamera um den See und durch den Wald genau das ist, was wieder Licht in mein Leben bringt.

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