Mittwoch, 11. Januar 2017

Die Wüstenerschaffer und die Dichter


Manchmal, plötzlich, trampeln Menschen in meinen Lebensraum, deren Seele sich offenbar gegen jeden Anflug von Poesie mit einer stählernen Rüstung gewappnet hat. Die Sprache dieser Menschen ist die der Beurteilung, der Behörden und der sogenannten "Vernunft", und ich, die diese Sprache nicht beherrscht und ihr wehrlos ausgesetzt ist, vertrockne in Windeseile. Solche Menschen sind Wüstenerschaffer. Um aus dieser Wüste so schnell wie möglich wieder herauszukommen ins Blühende, Fließende, Klingende, muss ich Gedichte lesen. Oder aber dieses Buch von Gaston Bachelard, der zwar ein Philosoph war, aber eine Dichterseele hatte.

Bachelard spricht über Räume, und er tut es wie ein Dichter. Er weiß, dass es sich bei der Sprache der Dichter nicht um Metaphern handelt, sondern um gelebte, erlebte Wirklichkeit. Ja, Gedichte entstehen aus dem gelebten Leben der Dichter! Er zitiert Sätze, die ich beglückt unterstreiche, von Dichtern, die ich zum Teil gar nicht kenne. Und denkt also nach über das Haus ("Eine Nacht, zehn Dörfer, ein Berg, / ein schwarzer Leviathan, goldgenagelt". G.-E. Clancier), den Schrank ("Der Schrank ist voll Wäsche / Sogar Mondstrahlen sind drin die ich entfalten kann". André Breton), das Nest, die Muschel, den Winkel ("Schließet den Raum! Schließet die Tasche / des Känguruhs! Dort ist es warm". Maurice Blanchard), die innere Unermesslichkeit, den Wald als Seelenzustand (Wir sind "zarte Bewohner der Wälder unseres eigenen Wesens". Jules Supervielle).

Und was sagt Bachelard selbst? "Allzu klare Bilder werden zu allgemeinen Ideen. Dann blockieren sie die Phantasie. Gesehen, verstanden, gesagt: alles erledigt. Man muss dann einem besonderen Bild begegnen, um dem allgemeinen Bild wieder Leben zu geben."

Und dies, das Wichtigste: "Die Dichter verhelfen uns dazu, eine so expansive Freude am Schauen in uns zu entdecken, dass wir mitunter vor irgendeinem nahen Gegenstand die Erweiterung unseres inneren Raumes erleben." 

Wenn Ihr aus irgendeinem Grund in eine innere Wüste geraten seid - lest Bachelard!

2 Kommentare:

  1. Oh ja - ist so lange her, dass ich mich gar nicht mehr recht entsinne. muss ich wieder hervorholen, Danke!

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  2. Wir selbst geben dem Leben Raum - außer wenn wir Widerstand leisten und etwas anders haben wollen, dann werden wir selbst zu Dingen.

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