"Am Zeitungsstand im Supermarkt standen die Leser bei ihrer kostenlosen Morgenlektüre. Auch der kleine Junge war da, der damals in meinem Viertel wohnte. Er blätterte in einem Comic-Heft. Die Frau, die zu ihm gehörte, las eine der bunten Illustrierten. Der Junge war ein Sonnenschein, der allen Menschen zulächelte. Ich lungerte in der Kosmetikabteilung herum, um mich von dem Kind noch ein wenig bescheinen zu lassen.
Der Kleine, der auf dem Boden kniete, sah zu der Frau auf. Von seinem Blickwinkel aus sah er zweifellos kein Gesicht, sondern eine Illustrierte mit Beinen. Schmeichelnd fragte er: 'Oma?' Die Frau überflog die Affären der Prominenz. Länger als zehn Minuten konnte sie das kaum tun, sonst hätte sie die Zeitschrift kaufen müssen. 'Oma', sagte der Junge, 'ich möchte dir was sagen.' Die Frau blätterte. 'Oma', sagte das Kind, 'ich hab dich lieb.'
Die Frau gab einen routiniert klingenden Laut von sich, ein seit Jahrhunderten bewährtes „Hmm“, das aufdringliche Kinder abwimmelt. Etwas aber musste durch das Papier gesickert sein, eine Energie, die sich zwischen Seitensprüngen und Scheidungsgerüchten hindurchgeschlängelt hatte. Verwirrt hielt die Frau im Lesen inne und schaute sich um auf der Suche nach dem, was da in ihr Leben gekommen war. Unter ihr wendete sich der Junge befriedigt wieder dem Comic zu. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte. Die Frau sah ratlos die Illustrierte an, schlug sie enttäuscht zu und stellte sie zurück ins Regal."
Die Welt ist voll von nicht empfangenen Liebeserklärungen. Pass auf, dass Du die an Dich gerichteten nicht verpasst.
Dies ist der Beginn meines Essays "Schönheit liegt im Detail" aus der Ursache\Wirkung 116. Wie geht die Geschichte weiter? Das liest Du hier (klick)
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