Sonntag, 3. Dezember 2023

Advent




Advent: Erwartung des Lichts, das aus der tiefsten Dunkelheit emporsteigen wird. Ein Lichtlein wird schon heute Abend am Adventskranz leuchten. Der traditionelle Adventskranz ist im Grunde ein Ursymbol des Lebens. Schon in prähistorischer Zeit findet sich ein Kreis mit vier Punkten als "Sonnenrad". Bei den indigenen Völkern Nordamerikas ist der Kreis das Medizinrad, bei den Kelten findet er sich im Keltenkreuz. Der Kreis hat weder Anfang noch Ende und ist ein Symbol für das Unendliche. Das Grün der Tannennadeln symbolisiert die Lebenskraft, die roten Bänder das Blut, das früher als Träger der Seele galt. Die Zahl Vier - hier als vier Kerzen - steht nicht nur für die vier Jahreszeiten und die vier Himmelsrichtungen, sie ist auch ein Ganzheits-Symbol, ein Symbol der Vollständigkeit, denn sie verbindet die Drei (die göttliche Trinität) mit dem Irdischen. C. G. Jung sagte: "Die Vier symbolisiert die Teile, Qualitäten und Aspekte des Einen."
 
Wir erwarten also das Licht, christlich gesprochen: die Geburt Jesu, die von der Kirche auf den 24. Dezember, also die Wintersonnenwende, gelegt wurde. Aber ist das Licht nicht schon da, immer da gewesen, und wir sehen es nur nicht, weil es im Äußeren so dunkel ist? Dunkel in vielfacher Hinsicht, in der Jahreszeit und den Weltereignissen. 

In meiner Nachkriegskindheit lebten wir zu Dritt in einem einzigen Zimmer ohne Bad und Toilette. Wir hatten buchstäblich nichts - aber wir hatten jedes Jahr einen Adventskranz, den traditionellen aus Tannenzweigen mit roten Bändern. Ich erinnere mich an die Aufregung, die sich mit jeder weiteren angezündeten Kerze steigerte. Ich erwartete das "Christkind" mit einer Freude, zu der ich als Erwachsene nicht mehr fähig bin. Und als es dann "kam" am Heiligen Abend und eine Puppe brachte und einen Teller Süßigkeiten, stand ich ratlos vor den Dingen, die erstorbene Freude im Herzen, und fast immer begann ich zu weinen. Meine Mutter schimpfte und nannte mich undankbar, und zur verlorenen Freude kam jetzt auch noch das Schuldgefühl. Ich wusste, ohne es formulieren zu können, dass es hier nicht um Dankbarkeit ging. Aber worum ging es dann?
 
Meine Kindheitsenttäuschung hat mich gelehrt, dass es in allen Lebensbereichen immer um die Freude selbst geht. Eine erfüllte Freude reicht nie an das Gefühl heran, mit dem wir uns ihr Kommen ausgemalt haben. Wenn ich heute Abend die erste Kerze anzünde, weiß ich: Das Licht ist bereits da, es ist in mir, es äußert sich als tiefe Freude. Ich brauche keine Manifestation in Form von Dingen oder Ereignissen.
 
Dieser Moment, dieser Abend, diese Kerze: Das ist es bereits
 

2 Kommentare:

  1. Interessante Gedanken. Wahrscheinlich kommt daher auch der Spruch: Vorfreude ist die schönste Freude.
    Die Freude als Freude, der jetzige Moment, das Licht in mir.
    Sehr schön und eine große Übung.
    Liebe Grüße und danke für den wertvollen Text, Karin

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  2. Am Morgen des ersten Advent kam ich aus einer kleinen, schlichten Kirche
    nach Hause. Meine Frau fragte mich, was mich denn angesprochen hätte?
    Ich wußte sofort,- es war vor allem Anderen die eine leuchtende Kerze am
    Adventskranz, wie eine Verkündigung, die nicht mit Worten gesagt werden
    kann. Ich war selber erstaunt, wie mich dieses Einfache erfüllt.

    Dann, am Abend las ich deinen Blog:

    ...Dieser Moment, dieser Abend, diese Kerze: Das ist es bereits. 

    Das war eine Freude für mich. Danke, liebe Margrit und freudige Grüße,
    Joachim S.

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