Dienstag, 25. Mai 2021

Großzügigkeit

Lady Alexandra verschenkt sich

In unserer letzten Online-Meditation haben wir uns über Großzügigkeit und Wertschätzung unterhalten. Im Buddhismus ist die Großzügigkeit - dana-paramita - eine der sechs Paramitas, der "Sechs Vollkommenheiten". Alle paramitas wollen praktiziert, also geübt und verstanden werden. So einfach ist das nämlich nicht mit der Großzügigkeit, die hat zwei Gesichter: Wir können geben, weil wir etwas wertschätzen - oder aus Berechnung.

Ein reicher Kaufmann spendete seinem Zenkloster einen Sack mit fünfhundert Goldstücken. Der Meister sagte: "Gut, ich will es nehmen." Der Mann ärgerte sich über diese Antwort und sagte: "In diesem Sack sind fünfhundert Goldstücke." "Das sagtest du bereits", sagte der Meister. "Willst du, dass ich mich dafür bedanke?" "Ich denke, das solltest du", antwortete der Kaufmann. "Warum sollte ich das?", gab der Meister zurück. "Der Gebende sollte dankbar sein."

Aber da gibt es auch den alten Zenmönch Ryokan, der im achtzehnten Jahrhundert in einer ärmlichen Hütte in den Bergen lebte. Eines Tages, während er auf einem Spaziergang war, brach ein Dieb in seine Klause ein, fand aber nichts, was er hätte stehlen können. In dem Moment kam Ryokan zurück und rief aus: "Du Armer, jetzt bist du umsonst gekommen! Hier, nimm wenigstens meine Jacke und meine Hose." Der verblüffte Dieb nahm die Sachen und verschwand. Ryokan setzte sich, nackt wie er war, vor seine Hütte und seufzte. "Der arme Kerl", sagte er zu sich. "Schade, dass ich ihm nicht diesen schönen Mond schenken kann."

Wir können auf so viele Weisen großzügig sein, auch wenn wir kein Geld haben. Wir können zum Beispiel jemandem unsere Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Wir können unsere Freude schenken, unseren Frieden, unser Wissen und unsere Erfahrungen. Und falls wir wirklich nur noch unsere Jacke und unsere Hose besitzen, können wir immer noch ein Lächeln schenken. 

Großzügigkeit löst unsere Ich-Zentriertheit, und zwar sowohl, indem wir sie geben, als auch, indem wir sie ohne Bedenken annehmen. Wir lassen das nagende Gefühl des Mangels, das uns unterschwellig begleitet hat, los und öffnen uns der grundlegenden Fülle. Thich Nhat Hanh pflegte uns immer wieder zu sagen: You have enough!



Der ausgiebige Regen der letzten Wochen hat meinen geheimen Garten mit einer Fülle an Blättern und Blüten beschenkt. Ich weiß gar nicht, wie ich mich für diese Freude bedanken soll. Die amerikanischen indigenen Völker opfern den Naturgeistern ja Tabak, den ich nicht im Haus habe, und bei Wolf-Dieter Storl habe ich gelesen, dass gerne kleine handgewebte Wolldecken an Seen für die Wassergeister hinterlegt werden. Ich habe auch keine kleinen handgewebten Wolldecken. Sollte ich vielleicht ein Lied singen (Zimmerpflanzen immerhin, las ich, mögen Mozart)? Genügt mein Lächeln, meine stille Begeisterung als Dank?

Ja, ich glaube, meine Freude ist dana-paramita.

 

1 Kommentar:

  1. wieder ein wunderschöner Text liebe Margit...ich bin in letzter Zeit oft ängstlich und vermisse meine innere Ruhe. Ich nehme diese Zeilen und Blumen gerne an.
    Gitti

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