Sonntag, 24. Mai 2020
Mein Teich
"Es ist egal, wie weit du reist. Das weiteste Ziel ist für gewöhnlich das am wenigsten lohnendste. Wichtig ist allein, wie lebendig du bist." Henry David Thoreau
In diesen Tagen, in denen Griechenland wieder seine Strände öffnet, die Balearen um Gäste werben, Italien dem nicht nachstehen will und die Lufthansa folglich ab Juni wieder mehr Flüge anbietet, reise ich an meinen Teich.
Mein Teich ist zwanzig Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Er liegt versteckt in einem Wald, kein Auto kann ihn erreichen. Deshalb bin ich dort fast immer allein mit den Vögeln. Ich setze mich ans Ufer und beobachte die Fliegen, die sich auf den Blättern der Seerosen niederlassen. Ab und an huscht der rötliche Schatten eines Fisches vorbei; ich weiß nicht, wie die Fische in meinem Teich heißen, es ist mir auch egal. Je älter ich werde (und je länger diese wunderbare Ereignislosigkeit dauert, die sie Lockdown nennen), umso weniger Interesse habe ich, die Welt zu benennen. Ich will sie einfach nur sehen. Hören. Riechen.
Mein Teich überrascht mich immer wieder. In jeder Jahreszeit, im wechselnden Licht jeder Stunde zeigt er ein anderes Gesicht. Ich betrete den Wald in Vorfreude. Die Spannung wächst mit jedem Schritt, und ein wenig aufgeregt und besorgt (hat ihn auch niemand vermüllt, besudelt, entheiligt?) biege ich um die Ecke, halte den Atem an - und, oh, er ist immer noch er selbst, in sich ruhend, still.
Wir brauchen Orte, die uns einlassen in ihre Stille, unsere Anwesenheit dulden und doch unergründlich bleiben. Orte des Geheimnisses.
"Manche von uns reisen, um durch den Vorhang des Gewöhnlichen zu schlüpfen, hinein in die Präsenz von etwas, das außerhalb unseres Begreifens liegt." Pico Iyer
Mein unbegreiflicher Teich.
1 Kommentar:
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Danke für den schönen Text, in Gedanken bin ich mitgereist
AntwortenLöschen...einen schönen Sonntag
Gitti