Freitag, 1. März 2019

Ein Morgen


Ein Morgen

Einfach auf der Couch liegen und glücklich sein.
Ein wenig Summen nur, der ruhige Klang im Kopf.
Probleme sind gerade anderswo beschäftigt, sie haben
so viel zu tun in der Welt.

Kritische Leute schlafen zumeist; sie können dich nicht
ständig im Auge behalten, und manchmal vergessen sie es.
Wenn die Dämmerung über die Hecke fließt,
kannst du aufstehn und etwas tun.

Kleine Winkel wie dieser, herumliegende Himmelsstücke,
können aufgesammelt und aufgehoben werden.
Niemand wird sehen, dass du sie hast,
so leicht sind sie und gut zu verstecken.

William Stafford
(Übersetzung: Margrit Irgang)
 

4 Kommentare:

  1. Ein sehr schönes und interessantes Gedicht. Beim Lesen blieb ich an dem Satz „Kritische Leute schlafen zumeist;“ hängen. Dies ist, wenn man die Aussage auch auf sich selbst bezieht, auf den ersten Blick widersprüchlich, weil beim Schlafen das kritische Bewusstsein abgeschaltet ist. Gerade in den Traumphasen finden die „unlogischen“ Ereignisse statt. Im Traum empfinden wir es nicht als Widerspruch, wenn beispielsweise eine Uhr wie ein Camembert in der Sonne schmilzt.
    Dagegen ist unser Alltag logisch, aber nur auf den ersten Blick: Vor der roten Ampel bleiben die Autos stehen. Aber die Realität ist nicht logisch, sondern unsere Vernunft stülpt unsere persönlichen Erwartungen über sie, damit uns die Welt logisch erscheint. Wenn wir unsere innere kritisch nörgelnde Stimme nicht beruhigen können, verpassen wir die wunderbare Morgenfrische, oder wie Stafford es ausdrückt, kritische Leute verschlafen sie zumeist.
    Simon
    PS: Das Gedicht hat noch zwei weitere Zeilen: Later in the day you can act like the others.
    You can shake your head. You can frown.

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    1. Danke, Simon, für die zwei weiteren Zeilen - die sind in meiner Fassung nicht enthalten. Die "kritischen Leute" lese ich als tatsächlich Schlafende, so am frühen Morgen; "people who might judge are mostly asleep, they can't monitor you all the time ...". Ich denke, der glücklich auf der Couch Liegende ist früher wach als seine Kritiker.

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  2. Ja, stimmt das war wörtlich gemeint, die Kritiker schlafen morgens noch.
    Mich interessiert der psychologische Aspekt, da wir kritischen Äußerungen oft zu viel Gewicht beimessen und sie zu unseren inneren permanenten Kritikern machen. Wir werden uns selbst gegenüber zu kritisch, anstatt konstruktiv mit Kritik umzugehen.
    Erstaunlich ist folgendes: Stafford hat 22.000 Gedichte in seinem Leben geschrieben. Wenn ich das umrechne hat er jeden Morgen, an jedem Tage eines Jahres ein neues Gedicht geschrieben und das 60 Jahre lang (und er hat nicht nur Gedichte geschrieben). Ein sehr schöner Gedanke: in der Morgendämmerung glücklich auf der Couch liegend jeden Tag mit einem Gedicht zu begrüßen.
    Simon

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    1. Ja, wie ein Ritual, nicht wahr? Der Mann braucht keine Sitzmeditation.

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