Samstag, 4. August 2018

Kurze Buddhas, lange Buddhas


Seht Ihr, wie da einer meditiert seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten im Wurzelwerk der Mauer von Burg Landeck? Die geschlossenen Augen, die vorspringende Nase, die Pausbacken? Ich habe mich vor ihm verneigt und durfte ihn fotografieren.


Ein langes Ding ist der lange Leib des Buddha.
Ein kurzes Ding ist der kurze Leib des Buddha.
Zenrin Kushu

"Manche Buddhas sind kurz, andere lang, manche Schüler sind Anfänger, andere weit fortgeschritten, aber jeder ist genau so, wie er ist, 'richtig'. Wenn er dagegen begierig darauf aus ist, sich zu verbessern, fällt er in den verhängnisvollen Kreislauf des Egoismus. Für den westlichen Geist mag die Anerkenntnis schwierig sein, dass sich der Mensch eher durch Wachsen als durch Selbst-Verbesserung entwickelt und dass weder der Körper noch der Geist dadurch wächst, dass er sich selbst streckt. So wie aus dem Samenkorn der Baum wird, so wird aus dem kurzen Buddha der lange Buddha. Das ist keine Frage des Sich-Besserns, denn der Baum ist kein verbessertes Samenkorn, und selbst die Tatsache, dass aus vielen Samenkörnern nie Bäume werden, ist in vollkommenem Einklang mit der Natur. Aus Samenkörnern werden Pflanzen, aus Pflanzen werden Samenkörner. Hier geht es nicht um höher oder niedriger, besser oder schlechter, denn in jedem Augenblick seines Wirkens hat der Prozess als solcher die Fülle seines Sinns.

Eine Philosophie des Nicht-Wollens weckt immer die Frage nach dem Ansporn. Wenn nämlich die Menschen, so wie sie sind, schon ganz richtig oder schon Buddhas sind - legt diese Selbstzufriedenheit dann nicht den kreativen Antrieb lahm? Die Antwort lautet: Handlungen, die einem äußeren Ansporn entstammen, haben nichts wirklich Kreatives an sich, denn das sind keine freien oder kreativen Taten, sondern konditionierte Reaktionen. Wahres Schöpferischsein ist immer zweckfrei, ohne Motiv darüber hinaus. Aus diesem Grund sagt man, ein echter Künstler bilde die Natur gemäß ihrer selbst ab und verstehe den wahren Sinn des Ideals einer 'Kunst um der Kunst willen'. Oder, wie Kojisei in seiner Saikontan geschrieben hat: 

'Wenn deine wahre Natur die schöpferische Kraft der Natur selbst hat, dann siehst du, wohin du auch gehst, (alle Dinge als) Fische springen und Gänse fliegen.'"  

Aus: Alan Watts "Leben ist jetzt", aus dem Amerikanischen von Bernardin Schellenberger, Herder Spektrum, ISBN 3-451-04622-9
 

4 Kommentare:

  1. Oh, wie schön...ich bin bezaubert von Deinem Buddha...liebe Sommergrüße, Taija

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  2. Das Selbst-Verbesserungs-Programm läuft tatsächlich andauernd. Als ich neulich den Bahnsteig aufgrund der Hitze langsam entlang ging, überholte mich ein junger pfeifender Mann. Ich ging schneller, vermutlich um mich nicht abhängen zu lassen. Nach ein paar Schritten bemerkte ich es und ging wieder langsamer, ich ließ los. Mein Selbst-Verbesserungs-Programm hatte einen „Perfektionierungsversuch“ gestartet. So ist es auch mit der Meditation. Zwar hat man am Anfang schon die Wirkung den Herausforderungen des Lebens etwas stabiler gegenüber zu stehen. Aber auf Dauer funktioniert das nicht. Es gibt ein besseres Programm und das heißt Selbst-Akzeptanz. Sie lässt uns mitfühlender werden. Das Mitgefühl mit mir hatte mich zu meiner ursprünglichen Gehgeschwindigkeit zurückführt. Die Selbst-Akzeptanz ist kein oberflächliches Gefühl, sie ist tiefgründig. Diese mitfühlende tiefgründige Selbst-Akzeptanz ist schon mehr als die „halbe Miete“ jeder spirituellen Praxis. Sie wächst langsam und öffnet uns auch für andere. Und wann ist sie endlich ausgewachsen? Die Antwort überlassen wir dem Bodhi-Baum-Buddha aus Landeck.
    Simon

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