Erinnerung
von Rainer Maria Rilke
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Das ist einer der schönsten Texte über das Leben im Augenblick, den ich kenne, obwohl oder weil er gar nicht davon spricht. Rilke spricht vielmehr vom Versäumen des Augenblicks. Dieses Gedicht zu lesen tut mir etwas weh. Wie viele Augenblicke habe ich mit der Erwartung von etwas Großem vergeudet? Und die Größe dessen, was ist, nicht gesehen?
Ich ziehe mich ein wenig zurück zur Sommer-Meditation. In der kleinen Pause, die hier im Blog entsteht, spricht das Gedicht von Rilke. Nicht vergessen: Dies ist es!
Dies ist es schon.