Guten Morgen, du Schöne.
Ich weiß nicht, wie du heißt. Das ist ja auch egal. Ein Name ist nur ein Ordnungs-System, das anderen (der Gesellschaft mit ihren Kontroll-Organen) hilft, etwas in eine kleine Box zu stecken und bei Bedarf zuverlässig wiederzufinden. Wir beide aber haben eine erste Begegnung. Wir haben uns, soweit ich weiß, noch nie gesehen. Wofür also brauche ich deinen Namen. Er würde mich nur davon abhalten, die erstaunliche Transparenz deiner Flügel wahrzunehmen, das Muster auf ihnen, die dezente Farbgebung, deinen plüschigen Korpus und die Mühelosigkeit, mit der sich deine dünnen Beinchen an einer Blüte halten, ohne sie zu bewegen.
Ist das die Botschaft, die du für mich hast (denn jeder von euch Geflügelten, Befellten, Bepfoteten hat eine Botschaft für den Menschen, den ihr aufsucht, nicht zufällig aufsucht, nein, den ihr mit eurer klugen Intuition bewusst wählt): die Leichtigkeit? Die Mühelosigkeit? Möchtest du mir zeigen, dass Nahrung überall zu finden ist, also auch jene Nahrung, die Menschen brauchen und die über das Essen hinausgeht? Die Nahrung der Schönheit, der Düfte, der Farben?
Vielleicht soll ich von dir lernen, dass ein Nehmen gleichzeitig ein Geben sein muss, um die Welt in Balance zu halten. Dass Pollen gesammelt werden, um sie weiterzureichen an die Empfängerin, die sie braucht, um ihrerseits neue Pollen wachsen zu lassen. In meiner Welt fragt man sich da: Und was habe ich davon? Man fragt: Warum soll ich etwas sammeln, mit dem ich selbst nichts anfangen kann? Wie dumm ist das denn?
Vielleicht ist das die Botschaft, die du heute für mich hast: die fraglose Großzügigkeit.
Bleib doch noch ein wenig. Ich bin so gern in der Gesellschaft von Wesen, die von mir nichts erwarten, nicht einmal meine Bewunderung.
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Liebe Margrit Irgang,
AntwortenLöschenSo wundervoll geschrieben! Sie sprechen mir aus dem Herzen. Sooo schön! Alles Liebe für Sie und alle Wesen!