Sonntag, 2. Juli 2023

Der unsichtbare Pfad


"Der persische Sufi-Mystiker Al Ghazzali sagte: 'Das Betreten des geistigen Pfades gleicht dem Abschießen eines Pfeils auf ein unsicheres Ziel, sodass man nicht weiß, was der Pfeil treffen wird.' Wie geht das überhaupt, den geistigen Pfad betreten? Wird man Schüler einer Lehrerin, eines Gurus oder eines Lamas? Gelobt man Gehorsam, legt man Gelübde ab, nimmt man eine spirituelle Praxis auf? All das ist möglich und bis heute hilfreich. Ich schlage eine andere Interpretation vor, die eine formale Praxis zwar keineswegs überflüssig macht, sie aber enorm vertiefen kann.

Wir gehen dann auf dem geistigen oder spirituellen Pfad, wenn wir uns bewusst sind, dass jede Handlung, jeder Schritt und jeder Gedanke sowohl auf der sichtbaren als auch auf geistiger Ebene stattfinden. Und wirken. Immer. Ob wir das bemerken oder nicht. Deshalb können wir sämtliche Umstände unseres Lebens zur Schulung unseres Geistes nutzen, genau dort, wo wir uns gerade befinden: inmitten unseres ganz gewöhnlichen Lebens. 'Mein' Geist ist aber kein kleiner Garten mit einem Zaun drumherum, in dem ich tun kann, was ich will. Auf subtile Weise ist mein Geist mit allem verbunden, was ist. Und so ist die Schulung meines Geistes ein Dienst für die Welt. Eine Gabe, die ich anderen schenken kann, auch wenn sie von dem Geschenk nichts wissen."

(Auszug aus meinem Buch "Geh, wo kein Pfad ist, und hinterlasse eine Spur", Herder Verlag)

 

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