Eine der wunderbaren Folgen des Meditierens ist die Fähigkeit, Dinge intensiver wahrzunehmen und dabei Nuancen zu entdecken, die uns früher entgangen sind. Die Sinne werden feiner und lassen Düfte, Klänge und Farben ein, die wir nicht kannten. Aber wir entdecken auch die subtilen Unterschiede in unseren Geisteszuständen, die zu falschen Urteilen und unheilsamem Verhalten geführt haben, und das fühlt sich dann erst mal nicht so wunderbar an.
Im Buddhismus gibt es das Konzept der "nahen Feinde". Das sind Geisteszustände, die auf den ersten Blick täuschend gleich aussehen, sich jedoch bei genauem Hinsehen geradezu als Gegensätze erweisen. Eins dieser Gegensatzpaare ist Gleichmut/Gleichgültigkeit.
Nehmen wir an, wir sitzen auf unserem Balkon in der Sonne, unten grillt der Nachbar mal wieder Würste (wir sind Vegetarier ...) und der Hund von nebenan bellt pausenlos. Aber die Sonne ist schön warm, der Himmel ist blau, und weil wir uns zwischen unseren Blümchen gerade wohlfühlen, nehmen wir den Nachbarn, den Wurstgeruch und den Hund mit Gleichmut hin.
Gleichmut ist eine fabelhafte Praxis, die sich irgendwann mit Sicherheit als wichtig erweisen wird. Wir fangen klein an mit der Übung und antworten erst mal gleichmütig auf eine Situation, die wir als nicht rundum optimal empfinden (Nachbarn, Hunde). Etwas fehlt, etwas stört, aber gleichzeitig ist da so viel, das wir als wertvoll empfinden, dass wir das uns Störende mit Gleichmut annehmen. Diese Übung wird uns zugute kommen, wenn es mal richtig dicke kommt: Wenn die großen Themen uns besuchen, die Krankheit, der Verlust, das Sterben von diesem und jenem. Dann zeigt sich, wie gut wir gelernt haben, das Unvermeidliche mit Gleichmut anzunehmen.
Gleichgültigkeit dagegen sagt: Das geht mich nichts an. Du gehst mich nichts an. Es ist mir egal. Du bist mir egal. Gleichgültigkeit ist der verschlossene Geist, ist die Weigerung, unsere All-Verbundenheit anzuerkennen. Die Haltung der Gleichgültigkeit kommt aus dem Ego, das nur an seinen eigenen kleinen Vorteilen interessiert ist.
Die Gleichmütige bleibt verbunden mit allem, was ist, und eben wegen dieser Verbundenheit auch in schwierigen Situationen braucht sie ihren Gleichmut, um nicht von den Umständen hinweggefegt zu werden. Der Gleichgültige jedoch hat sich von vornherein herausgenommen aus der Verbundenheit alles Seienden und verharrt hinter seiner Mauer in seinem eigenen kleinen Garten. Er weiß nur noch nicht, dass auch sein Leben mitsamt seinem Herzen, Geist und Körper der Veränderung unterworfen ist, und dass seine kleine selbstgebaute Mauer von Anfang an völlig nutzlos war. Irgendwann steht er dann da, mitten in einem der großen Themen, das ihn absolut nicht gleichgültig lässt, nein, er ist erschüttert, fühlt sich geradezu vernichtet. Und jetzt weiß er nicht, wie er mit der Situation umgehen soll, denn Gleichmut lernt man nicht auf die Schnelle.
Wir sitzen also auf unserem Balkon, oben die Sonne, unten so allerlei, und jetzt geht ein heftiger Gewitterschauer nieder. Es hagelt sogar. Wenn wir jetzt immer noch stoisch sitzen bleiben, sind wir nicht mehr gleichmütig, sondern offenbar gleichgültig gegenüber unserer Gesundheit und unserem Wohlergehen. Wie gesagt: Ziemlich nahe Feinde, die beiden. Man muss echt aufpassen.
Mit diesen Worten - geschrieben auf meinem Balkon - verabschiedet sich mein Blog in eine kleine Sommerpause. Habt es schön luftig und kühl in den nächsten Wochen. Wir sehen uns wieder.
Schöner Text, liebe Margit, ich wünsche Dir eine schöne Sommerauszeit...und danke für die immer wieder berührenden, oftmals aufrüttelnden Kommentare.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Gitti
Seinen Frieden mit etwas machen.. so nenne ich für mich diese Dinge, die ich hinnehme, weil es besser für meinen Gemütszustand ist. Gleichmut ist ein feines Wort!! Herzliche Grüße und eine schöne Sommerpause wünscht Ellen
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