Donnerstag, 2. Februar 2023

Brigid reitet über Land

 


Man muss den Ahnen vertrauen, sie wussten mehr als wir. Sie sagen uns: Heute beginnt die helle Zeit. Die katholische Kirche nennt den Tag Maria Lichtmess. Offiziell endet heute die Weihnachtszeit; die Tannenbäume, falls sie nicht längst in der Heizungsluft vertrocknet sind, müssen jetzt entsorgt werden. Der 2. Februar gilt als ein Tag der Reinigung, was wahrscheinlich auf die jüdische Auffassung zurückgeht, nach der eine Frau vierzig Tage lang nach der Geburt eines Sohnes als unrein galt, weshalb sie sich anschließend einem Reinigungsritual unterziehen musste. Das kommentiere ich jetzt mal nicht.

Aber auch dieses Fest hat uralte Wurzeln. Im keltischen Jahreskreis ist es die dreifaltige Göttin in ihrer hellen Gestalt als Brigid (wenn Ihr Birgit oder Birgid heißt, ist das Euer Fest), die auf einem weißen Hirsch über das Land reitet, die Samen im Boden aufweckt und die Bäume schüttelt, sodass die Säfte aufwachen und zu fließen beginnen. Auch im alteuropäischen und indischen Jahreskreis war dies eine Zeit der Reinigung, denn die Dunkelheit wurde als unrein angesehen. Die Birke ist der Baum der Brigid, und wer sich mit Birkenwasser gewaschen hatte, konnte leicht und rein in den kommenden Frühling schreiten.

Eine Bauernregel besagt über Maria Lichtmess:  Ist´s an Lichtmess hell und rein, wird ein langer Winter sein. Wenn es aber stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit. Der fabelhafte Wolf-Dieter Storl drückt das viel schöner aus: Anfang Februar "schauen Dachs und Bär aus ihren Höhlen hervor, und wenn sie blinzeln müssen, weil es zu hell und sonnig ist, ziehen sie sich noch einmal für sechs weitere Wochen in die Erde zurück, denn so lange würde der Winter noch halten".

Ich blicke besorgt zum südbadischen Himmel, blinzele in die Sonnenstrahlen, die zwischen den Wolken hervorscheinen, und denke, ausnahmsweise mal beruhigt, dass all die alten Bauernregeln ja längst nicht mehr gelten. Ich habe nämlich bereits vor zwei Wochen die Fußabdrücke der nackten Sohlen der Göttin gesehen, im Vorgarten meiner Nachbarin. Dutzende von ihnen, und sie waren weiß und rein.


1 Kommentar:

  1. Liebe Margrit, vielen Dank für Ihren Blog mit den so inspirierenden und wunderbaren Geschichten! Alles Liebe für Sie und auch für die vielen Mitlesenden da draußen!

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