Sonntag, 15. August 2021

Die Bedrohlichkeit des Pusteblumen-Schattens

 

 Ja, schön, aber der Schatten ....!

 

Die Gemüseabteilung im Supermarkt ist in meinem Vorort der Ersatz für den Marktplatz. Man trifft sich, tauscht sich über das Neueste aus. Letzte Woche - ich prüfte die Melonen auf ihren Reifegrad - hörte ich unfreiwillig mit. Zwei Frauen, etwa Ende Sechzig. Frau 1: Das ist aber schön, dass Ihr Mann aus der Klinik entlassen wurde. Frau 2: Ja, aber man weiß nicht, wie es weitergeht, er ist halt noch sehr schwach. Frau 1: Kann er wieder essen? Frau 2: Ja, aber Kartoffeln und Kohl verträgt er nicht, und Milch und Joghurt will er nicht. Frau 1: Sicher geht er wieder gern in seinen Garten? Frau 2: Ja, aber er schafft nicht mehr viel, und Bücken geht nicht mehr wie früher.

Ich habe eine familienlose Bekannte, die zwei kleine ererbte und vermietete Reihenhäuser besitzt und in einer Eigentumswohnung lebt. Sie würde gerne reisen, aber für große Reisen ist ihre Rente zu klein. Als ich ihr vorschlug, doch eins der Häuser zu verkaufen und in ihren vielleicht zwanzig Restjahren die Welt kennenzulernen, schaute sie mich fassungslos an: "Ja, aber die Häuser brauche ich zu meiner Sicherheit, wenn ich mal krank werde."

Ach, die Bedrohlichkeit des Pusteblumen-Schattens.

Natürlich ist das Pusteblümchen schön, ganz klar, aber schau dir mal an, was es für einen Schatten wirft. Schwarz. Kompakt. Da wird einem richtig mulmig. Bei dem Pusteblumen-Schatten an einem Hochsommer-Sonnentag.

Meine Mutter war eine Meisterin darin, auf die dunkle Seite der Ereignisse zu starren, und ich weiß, dass es gar nicht so leicht ist, solch eine Prägung aufzulösen. Aber nur Mut, es ist möglich. So eine Pusteblume ist ein zauberhaftes Gebilde. Sehr verletzlich und unbeständig, deshalb muss man es bewundern, solange es da ist (dafür hat man also etwa zwei Tage Zeit). Ein Windhauch nämlich, und die Schirmchen sind weg. Denn jedes ist ein perfekt von der Natur gebautes Flugobjekt. Da wurde doch selbst Ikarus neidisch.

Und wehe, jetzt sagt einer: Ja, aber aus jedem Schirm entsteht so ein furchtbarer Löwenzahn ...

 

2 Kommentare:

  1. so wahr und treffend, liebe Margrit, was diese Reihenhaus-Dame angeht! und bei dem Foto ist es erstaunlich, wie dominat der Schatten ist aber gleichzeitig die Schönheit und Transparenz der Pusteblume sichtbar macht. Beides ergänzt sich, finde ich. Sehr gelungen ...

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  2. Danke für den Text, mein Mann ist ein "ja aber Typ". Je älter er wird desto mehr..ja aber...
    ich bin sehr darauf bedacht mir meine helle Seite nicht nehmen zulassen.

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