Montag, 4. Januar 2021

Vierzig Jahre - rückwärts und vorwärts

 

In meiner Straße wurde die Litfaßsäule entkleidet. Wie das so ist, wenn man sich lange nicht ausgezogen hat: Es kommt ziemlich viel alte Unterwäsche zum Vorschein. Wie gut doch Udo Lindenberg einst aussah - das würde man heute gar nicht mehr glauben. Von oben linst der junge Peter Alexander (oder Stephan Sulke?) auf mich herab, und ist das dort unten nicht - wie hieß der doch gleich, ach ja, Howard Carpendale (oder Klaus Hoffmann?)? Und diese allgegenwärtigen Plakate, dramatisch rot umrandet, mit denen man eifrig nach Terroristen fahndete - übrigens, das muss man heute extra erwähnen, kam der Terrorismus damals von links. Jedenfalls erzählte man uns das so.

Ich stehe davor und schaue mir meine Vergangenheit an. 

Und stelle mir vor, wie in vierzig Jahren unsere Kindeskinder amüsiert die Jahre 2020 und 2021 anschauen werden, die natürlich nicht auf Herrn Litfaß geklebt sein werden, sondern im Internet konserviert sind für die nächsten tausend Jahre.

 

 

Sie scrollen sich durch die Bilder und denken: Ach ja, damals herrschte diese sogenannte Pandemie, von der alle überrascht und überrumpelt wurden. Da gab es diesen Gesundheitsminister, wie hieß der doch gleich, der später längst nicht die Karriere gemacht hat, die man ihm damals prophezeite. Ging zu viel schief in seinem Management. Die mit Auftrittsverbot belegten Künstler versuchten ohnmächtig aus dem heimischen Wohnzimmer heraus, singend, tanzend und musizierend unvergesslich zu bleiben, während der meistgehypte Typ der Zeit, ein Virologe, auf allen Kanälen zu sehen war, obwohl er das finanziell nicht nötig hatte, er war festangestellt. Die Menschen auf der ganzen Welt sahen auf einmal aus wie Japaner, weil sie Masken tragen mussten, wogegen es maßlos wütende Demonstrationen gab. Sozusagen über Nacht wurde ein Impfstoff auf den Markt geworfen und hektisch in Milliarden Oberarme gerammt, obwohl man nur eine vage Ahnung von möglichen Nebenwirkungen hatte und es nicht einmal klar war, wogegen man da impft: gegen die Ansteckung, gegen das Angestecktwerden oder einfach nur gegen einen dramatischen Verlauf.

Alles in allem peinlich unbedarft und naiv.

Uns, denken unsere Kindeskinder beim Anblick der vierzig Jahre alten Fotos, kann das alles nicht mehr passieren. Die Pandemie-Breitband-Impfung gegen sämtliche damals mutierten Erreger und alle weiteren, die im Lauf der folgenden zwei Jahrzehnte auftraten, wird bereits unseren Einjährigen verabreicht. Weltweit sind die Menschen durchgeimpft. Allerdings ist es reine Spekulation, unsere Anfälligkeit für andere schwere Krankheiten und unser allgemeines Unwohlgefühl auf diese Impfung zurückzuführen. Nein, da gibt es durchaus andere Gründe, die Umweltverschmutzung, das Sterben des Winters, die allgemeine Erhitzung und so weiter. Und überhaupt ist es vermutlich ein Gerücht, dass sich unsere Großeltern vor vierzig Jahren noch heimisch gefühlt haben in ihrem Körper. Ein Gerücht wie jenes, dass es damals noch Schnee gegeben haben soll im Harz und im Schwarzwald und so.

Denken sich unsere Kindeskinder beim Betrachten unserer alten schmutzigen Unterwäsche, die wir ihnen hinterlassen haben.


3 Kommentare:

  1. Liebe Margrit, ich glaube, der Herr oben rechts vor vierzig Jahren war Stephan Sulke. Unten rechts ist definitiv Klaus Hoffmann abgebildet, der damals Jacques Brel-Chansons ins Deutsche übertragen hat. Verdammt lang her...

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    1. Dankeschön. Ich hab's nicht so mit deutschen Schlagersängern ...

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