Freitag, 27. Mai 2016

Geh bis an deiner Sehnsucht Rand


Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte, sind:

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gib mir Gewand.

Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken.

Lass dir alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gib mir die Hand.

Rainer Maria Rilke

  

Samstag, 21. Mai 2016

Die Welt von oben


Es gibt Tage, an denen ich die Welt von oben betrachten muss. Weil unten auf einmal alles so eng wirkt, zu viele Zäune, Mauern, Häuser. Von allem zuviel. Oben gibt es von allem sehr wenig, das tut mir gut. 1 großer Vogel, der hoch oben im Blau seine Kreise zieht. Am Horizont 1 Burg. 1 Wanderer mit Hund. Die Weinberge: sehr überschaubar. Noch keine Reben und deshalb keine Selbstschussanlagen. Dazwischen fließt was, das erst ein Bach werden will - ein noch nicht erwachsenes Wässerchen. Weit unten in der Ebene schnürt ein Motorradclub über die Landstraße, ihre Mitglieder gleichmäßig aufgefädelt wie eine Kette, jeder Motorradfahrer eine schwarze Perle. Im Osten hinten im Dunst Berge mit Schneemützen. Ich weiß nicht, wie die Berge heißen.

Und das ist die eigentliche, die ganz große Freiheit: das Nichtwissenmüssen und Einfachnurschauendürfen.

Donnerstag, 19. Mai 2016

Frau Irgang bäckt: der etwas andere Früchtekuchen


Bei den kühlen Temperaturen hier im Südwesten ist ein schmackhafter Winterkuchen zum Tee willkommen. Man nehme:

125 g Mehl
2 TL Backpulver
1 TL Zimt
120 g Rohrohrzucker
80 g feingeriebene Möhren
180 g gemischtes gehacktes Dörrobst (Rosinen, Datteln, Feigen, Aprikosen ...)
90 g klein gehackte Blockschokolade
30 g Kokosflocken
2 Eier
90 g zerlassene Butter

Mehl, Backpulver und Zimt in eine Schüssel sieben, mit Zucker, Möhre, getrockneten Früchten, Schokolade und Kokosflocken mischen. Eier und Butter zugeben. In eine Springform von ca. 25 cm Durchmesser füllen und bei 180° ca. 30 Minuten backen. In der Form abkühlen lassen, dann auf ein Kuchengitter stürzen.

Für den Belag 200 g Frischkäse und 30 g weiche Butter mit dem Handrührgerät glatt rühren. 150 g Puderzucker hinzugeben und alles zu einer luftigen Masse schaumig rühren (dauert ein paar Minuten). 1 TL heißen Zitronensaft einrühren. Den Belag auf dem Kuchen verteilen und nach Wunsch mit gehackten Nüssen und/oder Kokosflocken bestreuen.

Guten Appetit!

Dienstag, 10. Mai 2016

Künstler der Stille #4: Arvo Pärt


Im Jahr 1976 veröffentlichte der estnische Komponist Arvo Pärt nach einer achtjährigen Krise und schöpferischen Pause sein Klavierstück "Für Alina". Was man hörte, war bislang unerhört: Einfachster Dreiklang, reduziert auf das Wesentliche und dennoch von subtiler Komplexität. Sein Freund, der Dirigent Kristjan Järvi, sagt: "Das Besondere an Arvo Pärts Musik: sie ist durch und durch aufrichtig und ehrlich. Es ist der Klang des Lichts, das ausstrahlt. Manche nennen das auch Spiritualität. Ich denke aber, das ist keine dezidiert christliche Spiritualität. Es ist die innere Sehnsucht nach Klarheit, nach Reinheit, die hier ihren Ausdruck findet." Pärt selbst nennt seinen Stil "Tintinnabuli-Stil".

In 1976 the Estonian composer Arvo Pärt returned after a crisis and creative break of eight years to the music world with the piano piece "For Alina": Seemingly simple triads of a subtle complexity. His friend Kristjan Järvi says: "Arvo Pärt's music is utterly honest. It radiates the sound of the light. Some call it spirituality, but I think it is not a Christian spirituality. It is the inner yearning for clarity and purity which is expressed here." Pärt itself calls his style "Tintinnabuli Style".


Pärt musste die Sowjetunion verlassen, lebte zeitweise in Berlin und lebt heute wieder in Estland. Seine Musik wird häufig kritisiert als "zu schön" oder "zu simpel". Aus meiner eigenen Erfahrung als Chorsängerin weiß ich, dass ein Stück von Arvo Pärt vom Chor höchste Präzision verlangt und nicht leicht zu singen ist. Und hören in ihrer ganzen Tiefe kann man diese Musik nur, wenn man sie im Raum der eigenen inneren Stille erklingen lässt. Als Arvo Pärt noch in Berlin lebte, schrieb ich ihm einmal einen Brief über das Verhältnis von Kunst und Spiritualität, das mich damals schon bewegte. Seine Antwort ließ lange auf sich warten und kam dann handschriftlich: "Liebe Frau Irgang, ich nehme Ihren Brief sehr ernst. Ich habe lange nicht geschrieben, weil es so viel zu sagen gibt. Dies heute als vorläufige Antwort." Irgendwann fand ich die Antwort auf meinen Brief in seiner Musik.

Pärt had to leave the Sovjet Union, lived in Berlin and lives today again in Estonia. His music is often criticised for being "too beautiful" or "too simple". As a member of several choirs I know that singing a piece of Pärt requires the singers' absolute precision. As a listener you have to enter the realm of your own inner silence in order to let the music resonate in you. Once I wrote a letter to Arvo Pärt about the relationship between art and spirituality. It took months till he answered with a handwritten piece: "Dear Mrs. Irgang, I take your letter very seriously. I did not write because there is so much to be said. Take this for the time being." One day I found the answer to my letter in his music.

Hier ist der Link zu einer Sendung des Deutschland-Radios zum 80. Geburtstag von Arvo Pärt.

Sonntag, 1. Mai 2016

Frau Irgang kocht: der Nach-dem-Yoga-Teller


Nach der Yoga-Stunde brauche ich etwas Frisches, Leichtes. Da gibt es dann zum Beispiel so etwas: Feldsalat, Karotten, Radicchio, Papaya, griechischer Feta, mit Zwiebeln und Knoblauch gebratene Champignons und in Olivenöl geröstete Croutons aus Vollkornbrot. Dazu Orangen-Senf-Dressing und Kräuter vom Balkon.

Nächste Woche vielleicht mit lauwarmem grünem Spargel oder Shiitake-Pilzen oder Roter Bete oder karamellisierter Birne oder ...