Dienstag, 14. Juli 2015

SWR 2: Muße


Heute schon in der Hängematte gelegen? Mit einem Kind Seifenblasen gepustet? Die Katze gestreichelt, dem Hund Stöckchen geworfen? Einen langen Spaziergang gemacht? Ein Gedicht gelesen? Noch mal gelesen? Einen Eiskaffee getrunken, mit zwei Kugeln Vanilleeis? Gestern der Erde dabei zugeschaut, wie sie sich von der Sonne wegdreht, und klar gesehen, dass die Sonne deshalb keineswegs untergeht?

Nein? Dann wird es Zeit, mein Feature zum Thema Muße zu hören, fünfundzwanzig Minuten lang.

Zum Begriff "Muße" weiß der Duden Interessantes zu berichten:

"Die nur deutsche Substantivbildung Muße ist eng verwandt mit dem unter müssen behandelten Verb und gehört mit der Sippe von messen zu der umfangreichen Wortgruppe von 'Mal, Zeitpunkt'. Das Wort bedeutete ursprünglich etwa 'Gelegenheit oder Möglichkeit, etwas tun zu können'."

"Müssen" ist also die große dicke Schwester der kleinen unbeachteten "Muße". Die große Schwester zwingt uns offenbar kollektiv zum Schreiben zahlloser E-Mails in immer kürzeren Zeitabständen, lässt uns so viele Erledigungen, Erlebnisse und Pflichten in unsere Zeit pressen, wie das gerade noch möglich ist. Wussten Sie, dass sich das Aufführungstempo klassischer Musik in den letzten Jahrzehnten enorm beschleunigt hat? Und ich durfte noch vor wenigen Jahren Eineinhalb-Stunden-Sendungen für den SWR machen - eine Länge, die man dem Hörer heute nicht mehr zumuten will.

Über all dies habe ich mich für ein SWR-Feature unterhalten mit dem Soziologen Professor Hartmut Rosa, dem Künstler Alfred Bast und der Journalistin Gerlinde Knaus. Wir kamen zu dem Schluss, dass Muße kein Selbstzweck ist, sondern lebenswichtig: Unsere oft wahllos in unsere kostbare Zeit gestopften Erlebnisse müssen zu Erfahrungen werden, um uns wirklich zu verwandeln - und das erfordert regelmäßige schöpferische Pausen. Ich meine, wir sollten uns wieder auf den Muße-Begriff der Antike besinnen, wo die Muße einen hohen Stellenwert hatte: Erkennen und Einsehen galt damals als Lebensweise. Das können wir übrigens heute von den Künstlern, Dichtern und Philosophen lernen. Was tun diese, wenn sie Inspiration brauchen? Sie legen sich in die Hängematte, pusten Seifenblasen, streicheln die Katze ....


"Muße. Plädoyer für das schöpferische Innehalten". Feature von Margrit Irgang. Hier ist der Link zum Anhören der Sendung in der Mediathek.

1 Kommentar:

  1. Danke für die Sendung Musse!
    - Wer nicht sucht, gibt die Dinge Gelegenheit ihn zu finden!
    - das entspannte Verbleiben im Augenblick!
    - die Angst vor der Leere!
    -die Stille hat ihre Geheimnisse!
    Kultur ist das gehen von Umwege!
    usw
    Ich kenne in meiner Sprache kein Wort für 'Musse''; ich nenne es vorläufig 'scheppende ledigheid'.

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