Dienstag, 2. Dezember 2025

Rilke als Lebenslehrer


 


Am Donnerstag, 4. Dezember, wäre Rilke 150 Jahre alt geworden. Kürzlich sagte mir jemand, "den kann man doch heute nicht mehr lesen". Falsch, ganz falsch. Rilke ist zeitlos und hat uns sehr viel zu sagen. Schon mal Briefe von ihm gelesen?

Rilke hat gewissenhaft jeden an ihn gerichteten Brief beantwortet, und das nicht mit ein paar Zeilen, nein, er hat Seiten gefüllt. Diese Briefe sind von einer Einfühlung in den Adressaten, die ihresgleichen sucht. In einem Brief an Magda von Hattingberg schrieb er einmal darüber, welches Glück es ihm bedeute, einen Hund im Vorübergehen "einzusehn (ich meine nicht durchschauen, was doch nur so eine Art menschlicher Gymnastik ist und wo man auch gleich wieder aus der anderen Seite herauskommt aus dem Hund, ihn gleichsam nur als ein Fenster betrachtend ín das hinter ihm liegende Menschliche) - sondern sich einzulassen in den Hund genau in seine Mitte, dorthin, von wo aus er Hund ist". 

Und so lässt er sich auch ein in (und nicht: auf!) jeden Menschen, dem er schreibt, und begibt sich dorthin, wo dieser Mensch ganz und gar er selbst ist: direkt in seine Mitte. Von diesem Innen-Ort aus wird er für seine Briefpartner zum Lebenslehrer, denn er sieht mit ihren Augen und gibt dem Sprache, was sie vielleicht ahnen, aber selbst nicht ausdrücken können.

Ich möchte euch heute meine Lieblings-Briefe empfehlen, die an den jungen Franz Xaver Kappus, der sich an Rilke gewandt hatte, während er, der doch Dichter sein wollte, auf der Militärakademie verzweifelte, wie einst der Dichter selbst. Und so wechseln sie im Lauf von zwei Jahren ein paar wenige Briefe, aber jeder Satz darin ist tief, nachdenklich, gehaltvoll. Kappus hat sie später unter dem Titel "Briefe an einen jungen Dichter" veröffentlicht.

Weil Rilke die Menschen eben von innen "einsieht", bestätigt er jedes ihrer Gefühle, jede Regung, denn er lebt sie ja mit. Der junge Kappus ist einsam und traurig, und das ist für Rilke völlig in Ordnung: "Es gibt nur eine Einsamkeit, und die ist groß und ist nicht leicht zu tragen, und es kommen fast allen die Stunden, da sie sie gerne vertauschen möchten gegen irgendeine noch so banale und billige Gemeinsamkeit, gegen den Schein einer geringen Übereinstimmung mit dem Nächstbesten, mit dem Unwürdigsten ...

Und warum nicht traurig sein, wenn man doch ein Dichter ist? "Gefährlich und schlecht sind nur jene Traurigkeiten, die man unter die Leute trägt, um sie zu übertönen."

Wie wünschte ich mir, heute solche Briefe zu bekommen! Mit dem Füllfederhalter geschrieben auf dickes schweres Papier. Von jemandem, der mich nicht analysiert und mir keine Rat-Schläge erteilt, sondern mit mir gleichschwingt. Denn wie Rilke bin ich davon überzeugt, dass wir alle Antworten, die wir brauchen, in uns selbst finden: "Man wird auch allmählich erkennen lernen, dass das, was wir Schicksal nennen, aus den Menschen heraustritt, nicht von außer her in sie hinein."

Insel war der Verlag von Rilke, und so habe ich euch hier das kleine Insel-Bändchen verlinkt. Es kostet 10 Euro. Es gibt auch noch andere Ausgaben davon, wie sorgfältig sie gedruckt sind, weiß ich nicht. Wenn ich nur ein Buch auf die berühmte einsame Insel mitnehmen dürfte, es wäre wahrscheinlich dieses.

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