Mitte März 1888 kommt ein von seiner Kunst besessener, aber erfolgloser Maler in Arles an. Vincent van Gogh ist müde und kränkelt, er braucht Licht und Sonne, für seine Bilder wie für sich selbst. "Das ist die Sonne, die niemals in uns eingedrungen ist, uns aus dem Norden", schreibt er enthusiastisch an seinen Bruder Theo. Er mietet - von Theos Geld - vier Zimmer in einem Haus an der Place Lamartine, dem "Gelben Haus". Dort möchte er eine Künstlerkolonie einrichten; ein "Atelier des Südens", in dem sich Maler gegenseitig inspirieren und gleichberechtigt miteinander arbeiten und ausstellen sollen. Aber nur Paul Gauguin folgt nach langem Zögern der Einladung, kauft allerdings nach seiner Ankunft in Arles hoffnungsvoll gleich zwanzig Meter Jute. Die beiden beginnen zu malen. "Das gelbe Haus" wird eines der bekanntesten Bilder van Goghs werden, der das Motiv sehr schwer fand: "Gerade deshalb wollte ich es erobern. Weil es furchtbar ist, diese gelben Häuser in der Sonne, dazu die unvergleichliche Frische des Blaus."
Der Garten des Hospitals in Arles
Viele Bilder entstehen, man versucht sich an denselben Motiven, und die Ergebnisse sind spannend in ihrer Unterschiedlichkeit. Aber beide sind schwierige Charaktere. Das Zusammenleben ist geprägt von Streit und Eifersucht. Vincent erleidet einen Nervenzusammenbruch, und am 23. Dezember 1888 endet der Versuch des gemeinsamen Lebens und Arbeitens auf dramatische Weise: Vincent schneidet sich ein Ohr ab. Erst vor wenigen Jahren tauchten die Zeichnungen des behandelnden Arztes auf und beweisen, dass er sich tatsächlich das ganze Ohr und nicht nur das Ohrläppchen abgeschnitten hat. Mit dem Ohr geht er in ein Bordell und schenkt es einer Prostituierten mit den Worten "Du wirst dich meiner erinnern, das sag ich dir".
Der Aufenthalt in gelben Haus sollte eigentlich nur eine Zwischenstation sein. Vincent van Gogh imaginierte einen "Garten der Dichter", in dem er mit Gauguin wie Petrarca und Bocaccio Seite an Seite arbeiten würde. Den Garten, in dem er sich am Weihnachtsabend des Jahres 1888 wiederfand, sollte er zwar malen, aber die Umstände waren nicht wie geplant: Er gehörte zum örtlichen Krankenhaus von Arles, in das die Polizei Vincent van Gogh nach seinem Nervenzusammenbruch einlieferte.
Saint Paul de Mausole, das heute eine Psychiatrie für Frauen ist
Im Mai 1889 weiß Vincent van Gogh, dass er Hilfe braucht, und begibt sich freiwillig in das Kloster Saint Paul de Mausole in Saint-Rémy-de-Provence, das zu jener Zeit eine psychiatrische Anstalt ist. Der Arzt der Anstalt diagnostiziert eine Epilepsie "mit schlechter Prognose". Anfangs darf er den Garten nicht verlassen, aber trotz der sicher nicht angenehmen Behandlungen, für die die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts berüchtigt ist, gibt ihm die behütende Umgebung Halt: In seinem winzigen Krankenzimmer entstehen in dem einen Jahr, das er in Saint-Rémy verbringt, fast einhundertfünfzig Gemälde und zahlreiche Zeichnungen. Seine Mitpatienten interessieren sich nicht für den seltsamen Maler, und der Sohn des Klinik-Direktors hängt die bemalten Leinwände an den Baum und schießt begeistert mit Pfeil und Bogen auf die hübschen runden Sonnenblumen.
An Theo schreibt Vincent, dass die Beobachtung der diversen "Verrücktheiten" seiner Mitpatienten ihn beruhige: "Ich habe gut daran getan, hierher zu kommen. Ich verliere dieses latente Grauen, die Furcht vor der Sache. Und nach und nach beginne ich die Verrücktheit als eine Krankheit wie jede andere zu sehen."
In Saint-Rémy, wie auch in Arles, sind überall Tafeln mit Bildern und Zitaten von van Gogh aufgestellt. Auf meiner kleinen Provence-Reise letzte Woche waren sie und die Geschichte dahinter das Bewegendste, das ich gesehen habe. Vincent van Gogh starb schließlich - da hatte er Saint-Rémy längst verlassen - an einer Kugel im Bauch. Niemand weiß, ob es Selbstmord war oder ob spielende Jungen die Pistole abgefeuert hatten (denn Vincent besaß keine).
Aber was für ein wunderbares Werk hat dieser Künstler geschaffen, trotz seiner Krankheit. Sein Geist und sein Blick haben sich einfach erhoben über die körperlichen und irdischen Schwierigkeiten der Person. Das macht Mut. Und die geistige und spirituelle Kraft, mit der er seine Bilder gemalt hat, strahlt auf uns, die wir sie irgendwo in einem Land der Welt in einem Museum sehen dürfen, aus.
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