Eigentlich bin ich eine Supermarktpackexpertin. (Ich schreibe hier die Worte im
Supermarktkassentempo, nämlich ohne erholsame Bindestriche. Das müsst ihr
jetzt aushalten, gute Literatur stellt ihr Thema nachvollziehbar dar.)
Also ich, die Expertin, ging einkaufen.
Dienstag Nachmittag, 14 Uhr. Ich dachte mir das so: Die Mittagesser haben ihre Zutaten schon gekauft, die Abendesser sind noch im Büro. Zeitlich entspannt dazwischen: Ich mit meinem Reiserucksack (internationale Kabinengröße), denn einen Wochen-Einkauf vierzig Stufen hoch in die Wohnung zu tragen ist eine sportliche Leistung, die ich mit einem Korb am Arm nicht mehr so ohne Weiteres bringe.
Das war der Plan. Der Supermarkt aber kannte den nicht. Sie hatten nur eine Kasse geöffnet. Die Kundin vor mir kannte ihn auch nicht.
Sie versuchte, die auf der abschüssigen Alufläche auf sie zurasenden Waren in ihren Korb zu stapeln, aber vielleicht war sie beim Gang durch die Gänge Versuchungen erlegen oder sie war generell planlos unterwegs gewesen (größter Supermarktfehler!), jedenfalls war der Korb zu klein. Sie hatte unten den Frischfisch und den Käse und packte den Sack Kartoffeln darauf. Dann merkte sie, dass das vielleicht gewichtsmäßig etwas ungeschickt war und packte alles wieder aus. Vor ihr türmten sich Konservendosen, Waschpulver, Schokolade. Dreiundvierzig zweiundachtzig, sagte die Kassiererin. Die Kundin kramte im Geldbeutel und murmelte: Ich hab die zweiundachtzig, warten Sie mal. Dann wandte sie sich zu mir um mit einem herzzerreißenden Lächeln und sagte: Ich bin gleich weg.
Keinen Stress, sagte ich zu ihr und meinte das auch so. Vielleicht hatte sie denselben Gedanken an entspannte Supermarktleerheit gehabt wie ich und war ebenso reingefallen. Sie hatte gezahlt und packte neu ein, schob die Dosen hin und her, irgendwie passte das Ganze immer noch nicht. Hinter mir staute sich die Schlange. Ich stand im engen Gang zwischen den Kassen, vor mir versuchte die Kundin weiterhin, ihre Logistikprobleme zu lösen, und die Kassiererin begann, meine Waren zügig über den Scanner zu ziehen. Weil die Alufläche belegt war, stapelte sie alles neben sich hinter die Scheibe, dorthin, wo ihre Wasserflasche stand. Auf die Bananen und Champignons packte sie die Dose Kokosmilch, die Tomaten, die Milch, die Äpfel, den ganzen Kleinkram und obendrauf auf den Turm meinen Topf Petersilie.
Hinter der Scheibe ist wirklich wenig Platz, das wurde mir erst jetzt bewusst. Nun begann mir auch die Kassiererin leid zu tun. Es war insgesamt ein emotional aufwühlender Einkauf, und dann sagte die Frau professionell kühl: zweiundzwanzig neunundvierzig. Sehnsüchtig betrachtete ich, was ich gekauft hatte, aber nicht an mich nehmen durfte. Es war eine Situation wie auf dem Flughafen, wenn man jemanden abholt und sich durch die Trennscheibe zwischen Halle und Baggage Claim hindurch zuwinkt: Ach, da ist er ja, so unerreichbar nah!
Ich zahlte mit der Karte, um wenigstens eine Kleinigkeit rasch und effektiv zu erledigen. Während die Kundin vor mir nach einer Möglichkeit suchte, ihr Toilettenpapier unter den Korbgriff zu klemmen, nahm die Kassiererin Anlauf, breitete ihre beiden Arme aus und schaufelte meinen Warenturm in einer einzigen Bewegung auf die Einpackfläche, wo die Sachen an den Einkaufskorb der Dame prallten, die mich jetzt flehend ansah und flüsterte: Ich bin wirklich gleich weg.