Freitag, 2. Dezember 2022

Was Gutes lesen

 

Ich habe früher hier Bücher als Weihnachtsgeschenke vorgestellt. Aber, meine Lieben, das macht viel Arbeit, und deshalb schaffe ich es in diesem Jahr nicht. Doch ich will Euch nicht buchlos in die Adventszeit entlassen, deshalb hier ein Sachbuch voll Weisheit, Wärme und erstaunlicher Fakten.

Die Indigenen aus der Gegend der Great Lakes erzählen die Schöpfungsgeschichte der Erde so: Himmelsfrau fiel herunter, wurde von den Schwingen der Gänse aufgefangen und auf dem Panzer einer Schildkröte abgesetzt. Sie verteilte Erdboden auf dem Panzer, säte die mitgebrachten Samen, und so entstand die Erde: als Geschenk des Himmels und der Tiere.

Die indigene Professorin für Umweltbiologie Robin Wall Kimmerer ist Angehörige der Potawatami Nation. Als Studentin schockierte sie ihren Professor, weil sie davon überzeugt war, Wissenschaft müsse die Pflanzen selbst fragen: "Was hast du uns zu erzählen?" Für ihr Volk kommunizieren und kooperieren die Pflanzen mit den Menschen, sie geben sich als Geschenk, und ein Geschenk, sagt Kimmerer, muss in Bewegung gehalten und weitergeschenkt werden. "Es ist die menschliche Wahrnehmung, die aus der Welt ein Geschenk macht. Wenn wir die Welt auf diese Weise ansehen, werden Erdbeeren und Menschen gleichermaßen transformiert."

Ihr Volk betrachtet alles in der Natur, Pflanzen, aber auch Felsen als beseelte Wesen und spricht von ihnen nicht als ein Es, sondern als ein Sie oder Er. Und dann gibt es non-binäre Menschen (siehe mein vorhergehender Post), die sich als ein Es bezeichnen ... Darüber möchte ich nachdenken.

Die Autorin verwebt ihr persönliches Leben als Mutter zweier Töchter mit der Beobachtung von Mutter Erde, die uns Menschen ebenfalls nährt. Dankbarkeit ist ihre Haltung zur Welt. Und seit ich gelesen habe, wie mühsam es für sie und ihre Kinder war, aus den eigenen Ahornbäumen Sirup zu gewinnen, nehme ich meinen kleinen Krug mit Respekt aus dem Regal im Bioladen. 

Was lehren uns grüne Bohnen, Kürbisse, Erdbeeren und Algen? Ihr erfahrt es hier: Robin Wall Kimmerer "Geflochtenes Süßgras", Aufbau Verlag. Die Zitate oben sind von mir übersetzt. Ich bin sicher, dass Elsbeth Ranke das Buch adäquat ins Deutsche übertragen hat und dass sie, wie alle Übersetzerinnen, nichts dafür kann, dass die Marketing-Abteilung des deutschen Verlags ein starres Substantiv gemacht hat aus einem Titel, der ein TUN beinhaltet. Denn das ist schließlich die Botschaft des Buches: Wir Menschen müssen der großzügigen Erde unsere Liebe zurückgeben, indem wir für sie sorgen.

 

2 Kommentare:

  1. Etwas erfahren wollen von einer Pflanze, hinzuhören, was sie zu geben hat. Wie weit zurückgehen muss man auf dem Pfad, den wir genommen haben, damit dieser Gedanke gedacht, verstanden werden kann? Es gilt, das Lächeln freundlich blinzelnder Wohlstandsbürger auszuhalten und die Geschenke weiterzureichen.
    Hochinteressant auch die Umkehr ins Passivum, so offenkundig zwar - und doch hätte ich's übersehen.

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  2. Ach, Dichter konnten das schon immer. Emily Dickinson, Rilke, Walt Whitman, Mary Oliver …

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