... sich in Bilder versenken ...
In seinem Essay "Die Kunst des Müßiggangs" beschreibt der junge Hermann Hesse, wie er seine Aufmerksamkeit "mit scheinbar geringen Gegenständen" beschäftigt ("Gesetze des Mückenfluges, Rhythmik der Sonnenstäubchen, Melodik der Lichtwellen."). "Daraus entsprang ein wachsendes Erstaunen über die Vielheit des Geschehens und beruhigendes, völliges Vergessen meiner selbst." Er nennt es ein Untertauchen "in die für Künstler so notwendigen Stunden des Selbstvergessens".
Nicht nur für Künstlerinnen und Künstler, meine ich.
Wie erholsam, für ein paar Stunden, oder auch nur für Minuten, den plaudernden Geist freundlich und nachdrücklich in den Kurzurlaub zu schicken. Kann sein, dass er anfangs mault; die Nicht-Beachtung passt dem kapriziösen Kerl gar nicht. Sein ihm seit jeher zustehender Platz, meint er, ist schließlich der Mittelpunkt allen Geschehens; ohne seine Kommentare, Urteile, Meinungen und Kritiken kann die Welt doch gar nicht begriffen werden.
Einfach nicht beachten.
... dem Wasser lauschen ...
Und stattdessen alle Sinne öffnen, um die Welt hereinzulassen. Oh, ein Klang. Hmm, hier duftet es. Licht, ach, was für ein Licht! Das Bewusstsein liebt es, umherzuschweifen und sich in alles zu versenken, was seinen Weg kreuzt. Im Hintergrund meckert der Plauder-Geist weiter, er muss natürlich seinen Senf dazugeben. Weiß gleich, was das für ein Vogel ist, der da trillert, und dass die Künstlerin des Bildes an der Wand Georgia O'Keeffe heißt. Gern liefert er auch ihre Lebensgeschichte dazu, die wir jetzt aber nicht hören wollen, die lesen wir später gerne nach. Wir versenken uns nämlich gerade in Farben und Rhythmen.
Das Ich als alleinigen Bezugspunkt für alles Geschehen für eine Weile zu vergessen, ist enorm erholsam. Und bereichernd: Wir bewegen uns in einer Welt, die wir nicht kennen müssen, sondern kennenlernen dürfen.
Sommerferien für das Ich: Einmal am Tag sich die Freude gönnen, selbstvergessen zu sein.