Samstag, 1. August 2020

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Ich habe gelernt, dass jede Biene sich von ganz bestimmten Pflanzen angezogen fühlt. Nur diese Pflanzen fliegt sie an, keine anderen. Die Sehnsucht nach diesen Pflanzen ist ihr Kompass. Dort, nur dort, sammelt sie Pollen und Nektar. (Andere Bienen sammeln bei anderen Pflanzen. Es kommen alle Gattungen dran.)

Ich habe gelernt, dass auch die Pflanze Sehnsucht nach der Biene hat. Mit den Pollen am Haarkleid der Biene werden ihre Stempel bestäubt; ohne Pollen würde sie aussterben. Sie lockt die Biene an mit betörendem Duft und hofft, schneller Bienenbesuch zu bekommen als ihre Schwester nebenan. Die Bienen-Gemeinschaft wiederum sehnt sich nach den Pollen und dem Nektar, weil diese ihren Nachwuchs im Bienenstock ernähren. Muss ich ausdrücklich den Honig erwähnen, der wiederum uns ernährt?

***

So folge ich dem Kompass meiner Sehnsucht. Wo Diskriminierung, Rassismus, Verachtung, Pflicht ohne Freude herrscht, Mühsal ohne Leichtigkeit, finde ich keine Nahrung. Meine Aufgabe verbirgt sich in dem, was mich anzieht. Es lockt mich an (der Duft kann betörend sein). Es will, dass ich Nahrung aus ihm sammle, Nektar und Pollen, um beides zurück in den großen Kreislauf einzuspeisen, der die Natur im Gleichgewicht hält.

So sammle ich still und unauffällig vor mich hin, Tag für Tag. Ein Lichtstrahl auf einer Mauer, eine Bewegung im Schatten eines Tores, ein Lied aus einem offenen Fenster, eine Sommernacht mit Freunden im Garten, ein Wort, aufgefangen aus einem Gespräch Fremder im Vorübergehen. Eingesammelt. Mitgenommen. Zurückgegeben in den Kreislauf des Lebens in Form eines Bildes, eines Gedankens, eines Gedichts. 

Damit die Poesie nicht ausstirbt. Die Welt würde ihren Tod nicht überleben.   

5 Kommentare:

  1. Eine Welt ohne Poesie ist wie eine Lunge ohne Atemluft. Für mich ebenso.... Liebe Grüße, Taija

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  2. Liebe Margrit, ich habe viele Pollen und Nektar auf deinem Seminar und dem schönen und herzlichen Intersein - Zentrum gesammelt. Es arbeitet noch in mir und wird bestimmt guter Honig, von dem ich gern etwas weitergebe. Vielen Dank dafür, Karin

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  3. ... und ich sauge gerade diese Worte ein und trage sie gleich hinaus ans Meer ..., danke. Liebe Grüsse Beatrice

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