Sonntag, 14. Juni 2020

Stephen Batchelor "Die Kunst, mit sich allein zu sein"


Stephen Batchelor ist Meditationslehrer, ehemaliger Mönch und ein wenig das "Enfant terrible" des Buddhismus. Seine Bücher tragen so schön aufmüpfige Titel wie "Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten", und in gewissen sehr ernsthaften buddhistischen Kreisen gilt er eher als lockerer Vogel. Dieses Urteil nährt er - wie ich vermute, mit großem Vergnügen - mit seinem Buch "The Art of Solitude", das jetzt auf Deutsch vorliegt.

Seit einiger Zeit fertigt er Collagen an (das Titelbild zeigt eine davon), und in Form einer Collage ist das Buch auch geschrieben. Er erkundet in 32 kurzen Kapiteln das Thema Mit-sich-Alleinsein in Meditation, Kunst und Literatur. Viel befasst er sich mit Montaigne und - mein persönliches Highlight des Buches - mit den Bildern von Vermeer, denen er schöne Betrachtungen widmet.

Vor allem ist dies ein persönliches Buch, in dem er von seiner spirituellen Reise durch das Leben erzählt. Ausführlich befasst er sich mit seinen Erfahrungen mit Peyote und Ayahuasca. Drogenkonsum ist im Buddhismus untersagt, aber es ist nicht der Verstoß gegen irgendwelche Gebote, der mich hier irritiert. Batchelor mag stabil genug sein, von psychedelischen Drogen nicht hinweggetragen zu werden; ich kenne viele andere, die es nicht sind und nach dem Konsum solcher Substanzen den Boden unter den Füßen verloren haben. Gut finde ich allerdings die Offenheit, mit der er seine Trips beschreibt. Einmal sagt er, er habe sich dabei "seine Anhaftung an den Buddhismus aus dem Leib gekotzt". Mein Eindruck ist in der Tat, dass Stephen Batchelor in all seinen Büchern gegen eine - seine! - Auffassung von Buddhismus und den Institutionen, die ihn vertreten, gekämpft hat wie ein Sohn gegen den übermächtigen Vater. Vielleicht brauchte er tatsächlich die Drogen, um sich von dem Übervater zu befreien.

Aber das Thema dieses Buches ist ja das Mit-sich-Alleinsein, und da gelingen ihm schöne Überlegungen: "Diese Art, mit dir allein zu sein, ist Nirvana: ein klarer Raum der Freiheit, aus dem heraus du auf die Welt reagieren kannst, ohne von reaktiven Begierden, Ängsten, Hass und Meinungen überflutet zu werden."

Ich sehe mit Genugtuung, dass es immer mehr Lehrer/innen und Praktizierende gibt, die den strengen Rahmen der Institutionen und Religionen verlassen, weil ihre Erkenntnisse sie frei gemacht haben, ihrem eigenen Weg zu folgen. Batchelor und seine Bücher gehören dazu. Ohne Zweifel können uns große Geister wie Buddha und Jesus Orientierungshilfe geben. Aber die Institutionen, die sich durch die Jahrhunderte hindurch um die wertvollen Lehren gebildet haben, sind in den meisten Fällen verkrustet.

Bücher wie dieses ermuntern uns, die Lehren klug anzuwenden, eine Praxis zu stabilisieren und mit der so gewonnenen Achtsamkeit, Geistesklarheit und Gelassenheit unseren eigenen Weg zu gehen.

Stephen Batchelor "Die Kunst, mit sich allein zu sein", aus dem Englischen von Saskia Graf, edition steinrich, Berlin ISBN 978-3-942085-73-1

Wer den kleinen engagierten Verlag edition steinrich unterstützen möchte, kann das Buch direkt und ohne Versandgebühr im Online-Shop des Verlags bestellen: https://janando.de/editionsteinrich/liste/


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