Donnerstag, 13. Juni 2019

Thich Nhat Hanh: Unterstützende Bedingungen


 ... auch wenn's stürmisch wird im Leben: es ist eine unterstützende Bedingung ...


"Unterstützende Bedingungen sind von zweierlei Art: in dieselbe Richtung und in die entgegengesetzte Richtung. Wenn alles problemlos und glatt läuft, dann ist es in dieselbe Richtung. Doch manchmal sind die Bedingungen auch dergestalt, dass sie die Situation schwieriger gestalten. Manchmal begegnen Sie auf Ihrem Pfad auch Hindernissen. Vielleicht werden Sie krank, und ein Kollege macht Ihnen das Leben schwer. Doch dank der Schwierigkeiten können Sie transformiert und stärker werden. So sind auch diese letztlich unterstützende Bedingungen, auch wenn sie zunächst als Hindernisse erscheinen.

Es gibt Kiefern, die in den Bergen in sehr nährstoffarmer Erde wachsen. Die Samen haben nur sehr wenige Nährstoffe, um zu sprießen und zu wachsen. Doch aufgrund dieser Schwierigkeit hat die Kiefer die Chance, sich tief im Boden zu verwurzeln und sehr stark zu werden, sodass ein Sturm sie nicht so leicht entwurzeln kann. Hätte die Kiefer es nur mit für sie einfachen Bedingungen zu tun, dann hätte sie nicht so tief Wurzeln getrieben und sich im Boden verankert, und ein starker Wind könnte sie leichter umstürzen. Manchmal helfen uns Hindernisse und Schwierigkeiten dabei, erfolgreich zu sein.

Einen Kollegen, mit dem Sie Probleme haben, können Sie als unterstützende Bedingung ansehen, selbst wenn er Ihnen eher als Hindernis erscheint. Er lehrt Sie etwas über Ihre eigene Stärke. Praktizierende sollten stark genug sein, um beide Arten unterstützender Ursachen annehmen zu können: die, die in dieselbe Richtung, und die, die in die entgegengesetzte Richtung weist."

Thich Nhat Hanh

(Aus: Thich Nhat Hanh "Die Heilkraft buddhistischer Psychologie", aus dem Englischen von Ursula Richard, Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-22015-1)



3 Kommentare:

  1. Ein so wunderschönes Foto, liebe Margrit! Unterstützende Bedingungen merke ich mir. Es ist ein so schöner Begriff für das, was es auszuhalten und anzunehmen gilt. So hilfreich von Thay formuliert. Herzliche Grüße, Taija

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  2. Unsere Schwierigkeit Hindernisse als unterstützende Bedingungen zu erkennen, hängt vermutlich damit zusammen, dass wir andauernd versuchen unser Leben in einer Art Balance zu halten. In der Balance der Alltagsrituale und der eingeübten Krisenbewältigungsstrategien (die im Alter leider eher zunehmen). Diese spiegeln uns vor, alles im Griff zu haben. Und die Hindernisse machen uns wieder klar, dass wir kaum etwas unter Kontrolle haben. Wir sehen bei den ersten Warnsignalen einer Krise einfach weg und reagieren nicht. Wer sieht sich beispielsweise einen Kontoauszug genau an, wenn er weiß, dass er das Konto überzogen hat. Also baut sich da ein größeres Hindernis auf. Erst wenn wir das Gefühl haben, dass uns das Hindernis voll und ganz trifft, zeigen sich Angst und Unsicherheit. Dann kommen wir endlich aus unserem Schneckenhaus, sind verunsichert und damit offen. Nur wenn wir offen sind, hilft uns unsere innere schöpferische Kraft. Dank dieser schöpferischen Kraft besinnen wir uns auf unsere eigene Stärke, auf innere, unbewusste und kreative Impulse. Wir sind am Wendepunkt angelangt und werden die Krise lösen (eventuell mit Unterstützung eines anderen Menschen). Bei der nächsten Krise läuft dieser Ablauf vermutlich wieder von vorne an. Wenn wir aber besser mit unseren inneren Impulsen in Kontakt bleiben, können wir auch besser auf Hindernisse reagieren.
    Simon

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    1. Ergänzung aus der buddhistischen Psychologie: Die (uns!) unbewussten Impulse kommen aus dem Speicherbewusstsein, das gleichzeitig persönlich und kollektiv ist und von unserer Vergangenheit, Begegnungen, unseren Handlungen und der Umwelt gebildet wird. Es ist also ein eigenständiges Bewusstsein, das eigentlich ständig ohne unser Geistbewusstsein agiert, zum Positiven wie zum Negativen. Eine gute Krisenbewältigung geht als positive Erfahrung ins Speicherbewusstsein ein, so dass die nächste Krise, wenn man sich den Impulsen gegenüber nicht wieder verschließt, schneller gelöst werden könnte - oder man handelt schon, bevor die Situation sich zur Krise entwickelt, weil man entschlossen ist, ab jetzt wach zu sein und alles als "unterstützende Bedingung" anzunehmen. Aber, wie der Buddha immer lehrte: Glaubt nichts, überprüft es selbst! Herzliche Grüße aus Freiburg.

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