... für ein großes Freudenfeuer ... |
Dienstag, 5. Februar 2019
Das Freudenfeuer anzünden
"Um zu verstehen, was Freude ist, stellen wir am besten erst einmal fest, was sie nicht ist. Freude ist weder Spaß noch Vergnügen, noch ist sie Rausch und Ekstase. Spaß und Vergnügen sind von äußeren Objekten abhängig, die uns Vergnügen schenken sollen. Der Rausch wiederum trägt uns von uns selbst und den gegebenen Umständen fort, und sein besonderes Kennzeichen ist die Ernüchterung, die uns befällt, wenn wir aus ihm erwacht sind. Wenn Spaß und Vergnügen Strohfeuer sind und der Rausch eine Stichflamme, dann könnten wir die Freude mit einer wohlig wärmenden Glut vergleichen. Um solch eine Glut herzustellen, müssen wir in unserem Herd ein solides Feuer anzünden, und das macht man am besten mit sehr gutem Holz, das schön trocken ist und in handliche Stücke zerkleinert. Mit anderen Worten: Freude erfordert Klugheit und Geschick, sie fällt nicht so einfach vom Himmel. Wir müssen etwas tun, bevor uns die Glut wärmen kann. Wir müssen geschickte Feueranzünder werden.
Es ist ziemlich leicht, Freude zu empfinden, wenn wir ein Geschenk bekommen, verliebt sind oder Erfolg haben. Was aber geschieht, wenn Verliebtheit und Erfolg vergangen sind und das Geschenk den Neuheitswert verloren hat? Dann ist die Freude mitgegangen, als sei sie ein Anhängsel, das zu den Zuständen gehört und von ihnen mitgezogen wurde. Freude aber ist völlig unabhäng von ihrem Auslöser. Sie entsteht und vergeht in uns selbst; Freude ist eine Haltung, die wir kultivieren können.
Der neue Haarschnitt ist eine Katastrophe, der Kuchen verbrannt, draußen regnet es in Strömen, aber ... aah, der Geruch nach frischer Erde, der zum offenen Fenster hereinkommt! Wir werden immer etwas finden, das unser Freudenfeuer nähren kann: die Tasse Kaffee, wenn wir durchfroren vom Markteinkauf kommen, der Anblick des ersten Schneeglöckchens, die Katze, die ihren Kopf an unserem Bein reibt. Wenn das Schneeglöckchen verwelkt, lebt unsere Freude dennoch weiter. Wenn die Katze sich von uns abwendet, bleibt unsere Freude dennoch bei uns."
(Aus: Margrit Irgang "Wunderbare Unvollkommenheit", Herder Verlag.)
3 Kommentare:
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Wie wohltuend, diese Zeilen über die Freude zu lesen! Vielen Dank.
AntwortenLöschenliebe Grüße von Ellen
Hallo Frau Irgang!
AntwortenLöschenWeil in Vietnam das neue Jahr erst begonnen hat und ich ein bißchen langsam im Reagieren bin, möchte ich noch etwas zu ihrem Wort, das im neuen Jahr zur Seite steht, sagen. (Stichwort "gute Vorsätze"). Mir ist im Dezember eine Wortfolge eingefallen: mein Leben ist jetzt eingelotet -
eingelötet- eingeläutet.Kindliche Wortspielereien sind nicht auf den Begriff fixiert, man genießt eher den Klang.
Liebe Grüße aus der Alpenstadt Reinhard Wurzer
Ich lese so gerne immer wieder darin ...liegt schon wieder bereit! Liebe Grüße, Taija
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