Montag, 23. Juli 2018

Meditation mit der Kamera: Miksang




Miksang ist tibetisch und bedeutet "das gute Auge". Eine Schule des Sehens, die von Chögyam Trungpa ins Leben gerufen wurde. Fotografie ist für mich die Zen-Kunst schlechthin (nein, Trungpa war kein Zenmeister, aber seine Shambhala-Schule ist nur ein anderer Weg zum Erwachen, das immer in diesem Augenblick geschieht). Ein Augenblick, ein Klick. Ein Foto ist immer nur JETZT! Im nächsten Moment wäre es ein anderes Foto, wird es ein anderes Foto sein.

Können wir einfach nur wahrnehmen, was ist, ohne Vorstellungen, Ideen, ohne Suche nach einem bestimmten Erlebnis? Können wir die Schönheit der Welt, wie sie sich in diesem Moment zeigt, würdigen, ohne sie verändern zu wollen nach unseren Vorstellungen? Können wir jeden Wunsch nach "kreativer Gestaltung" (in diesem Zusammenhang also: Manipulation) vergessen? Wenn unsere Wahrnehmung rein ist, nicht von Gedanken und Gefühlen getrübt, ohne Absichten, Wünsche, Abneigungen - dann sehen wir. Das, was uns bisher entgangen ist: das Kleine, Entlegene. Den Schnipsel Papier im Rinnstein, das Glitzern des Regens auf dem Pflaster, das zufällig auf ein Autodach gewehte Blatt, gelb auf schwarz. Und wir kommen in diesem unwiederbringlichen Augenblick vorbei, nehmen die Schönheit wahr und - klick.

Absichtslosigkeit ist der Schlüssel zur Meditation und zur Miksang-Fotografie. Wie gelingt ein solches Sehen? Der Zenmeister John Daido Loori, selbst Fotograf, sagte es trocken und prägnant: "Get out of the way." Dein Ego ist im Weg, vergiss es. Werde zum Auge, ganz und gar.

Ergänzung: Bitte lest auch die Kommentare, dort ist ein interessantes Gespräch im Gang. Und weil das vielleicht nicht jeder tut, hier ein Zitat des großen Fotografen Minor White, der mich beim Fotografieren leitet: "Spirit always stands still long enough for the photographer It has chosen."


3 Kommentare:

  1. Das ist ein sehr interessanter Beitrag, liebe Margrit. Das Ego beiseite schieben, beim fotografieren...das hat sich mir noch nicht erschlossen. Oft habe ich sogar gedacht, Fotografie ist wie Anhaftung, wie ein Festhalten des Moments...sobald ich den Focus setze, ist die Absicht dabei, indem ich genau diesen Bereich ablichte, indem ich einen Rahmen setze,mich für eine Perspektive entscheide, indem ich einen Moment "festhalte"...was macht den Unterschied zur absichtslosen Fotografie aus?
    Die Lomographen haben eine Technik, indem sie die Kamera werfen, und dann löst sich das Bild aus. Aber selbst das Werfen ist eine Absicht...so merke ich, das sind viel zu absolutistische Erwartungen...und dennoch: "ordinary magic", das ist es! Das lässt sich wunderbar entdecken! Die Schönheit in Allem.Und die Beispiele in dem Beitrag sind sehr schön. Ganz herzliche Grüße, Taija

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    1. Wenn ich alle Vorstellungen von einem "Motiv", das ich finden will, beiseite lasse und mich ganz und gar öffne für die Welt, dann findet mich das, was mit Hilfe meiner Kamera ein Bild werden will. Ich empfehle Dir sehr das Buch von John Daido Loori "Das Zen der Kreativität". Er erzählt darin, wie er Fotografie lehrte (leider ist er ja nicht mehr unter uns): Du verspürst eine Affinität zu etwas - einem Baum, einem Stein, einer Wolke. Dann setzt Du Dich zu Deinem Stein und Deinem Baum und nimmst ihn wirklich wahr in allen Facetten. Und wartest so lange, bis der Baum oder Stein Dich akzeptiert. Dann, erst dann, machst Du Dein Foto. Dieses Foto ist absichtslos in dem Sinn, dass das Ego mit ihm keine Absichten mehr verfolgt. Ein Lehrer von Daido Loori war der große Minor White, der sagte: "Spirit always stands still long enough for the photographer It has chosen."

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  2. … das Leben sehen. In jedem Moment!

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