Search the Darkness
Sit with your friends, don't go back to sleep.
Don't sink like a fish to the bottom of the sea.
Surge like an ocean, don't scatter yourself like a storm.
Life's waters flow from darkness.
Search the darkness, don't run from it.
Night travelers are full of light, and you are too:
don't leave this companionship.
Be a wakeful candle in a golden dish,
don't slip into the dirt like quicksilver.
The moon appears for night travelers,
be watchful when the moon is full.
Rumi
Ich blicke zurück auf mein Jahr und sehe: Es war kein leichtes Jahr. Menschen, die ich kannte, sind gestorben, Freunde sind schwer krank, nette Nachbarn sind weggezogen und ich arbeitete (und arbeite noch immer) an meinem Manuskript über Tod und Sterben. Natürlich gab es auch Anfänge, denn wenn etwas zu Ende geht, beginnt im gleichen Moment etwas Neues. In jedem politisch korrekten Jahresrückblick würde jetzt das Neue gebührend besprochen und der Wunsch nach einem noch besseren Jahr 2015 formuliert werden. Aber ich bin nicht politisch korrekt und außerdem in der dunkelsten Zeit des Jahres geboren: genau in dem Moment, in dem alle Lichter erloschen sind und kein Mensch mehr Lust hat, irgendwas zu feiern. Das prägt. Deshalb will ich am Ende dieses Jahres mit dem Sufi-Dichter Rumi die Dunkelheit ehren.
Don't go back to sleep: Rumi will nicht, dass wir zurückfallen in den Schlaf; er ruft uns sogar auf, die Dunkelheit zu suchen. Aus spiritueller Sicht sind wir ja alle Träumer, welche die sichtbare Welt und mit ihr die eigene begrenzte Persönlichkeit für die Wahrheit des Lebens halten. Deshalb wird die Erfahrung der Erleuchtung im Zen - kensho oder satori - auch "Erwachen" genannt. Wer schläft, befindet sich in Dunkelheit; wir müssen sie also nicht extra suchen, sie ist sozusagen unser normaler Erlebenszustand. Als "dunkel" empfinden wir unsere Ängste, unsere Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, das Gefühl des Getrenntseins vom Ganzen und die zahllosen Verluste.
Rumi sagt nun etwas ganz Schönes: "Reisende in der Nacht sind voller Licht, und du bist es auch." Es ist ein kleines ruhiges Licht, das wir in uns haben; eines von der Art, die man im Scheinwerferlicht auf Bühnen und in greller Schaufensterbeleuchtung nicht wahrnehmen kann. Erst wenn wir uns mutig der Dunkelheit stellen (den Ängsten, der Verzweiflung, den Verlusten ...), sehen wir es. Unser eigenes Licht beleuchtet die Dunkelheit, die jetzt nicht mehr eine schwere, schwarze, scheinbar undurchdringliche Masse ist. Sie erweist sich als lebendig. Mit den Worten von Rumi: "Das Wasser des Lebens fließt aus der Dunkelheit".
Die Dunkelheit ist die Quelle der Kraft. Ich wünsche all meinen Weg-Gefährtinnen und Weg-Gefährten eine gute, sichere Reise durch das nächste Jahr. Und nicht vergessen: Be a wakeful candle in a golden dish. Sei eine Kerze in goldener Schale, die wacht in der Nacht: ein kleiner Leuchtturm für alle Reisenden, die ihr eigenes Licht noch nicht gefunden haben.
Über Tot und Sterben gesprochen: kennst du das Buch 'Über das Sterben' vom Palliativmediziner Gian Domenico Borasio? (Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406617089)
AntwortenLöschenJa. Ich habe hier im Blog auch ein Video mit ihm gepostet. Empfehlenswert auf youtube: ein langes Gespräch mit Borasio im Schweizer Philosophie-Magazin "Sternstunde der Philosophie".
AntwortenLöschenDas Gespräch mit Borasio im Fernsehen habe ich gesehen als ich in der Schweiz war.
AntwortenLöschenEs hat mici veranlasst das Buch zu kaufen und zu lesen.
Ich wollte es übersetzen, habe bisher aber keinen Verleger gefunden.
In Deutschland ist das Buch ein kleiner Bestseller. Vielleicht wäre das ein Argument für einen möglichen Verleger?
AntwortenLöschen" Das Wasser des Lebens fließt aus der Dunkelheit",ist ein schöner positiver Satz.Im Gegensatz zu den heutigen oft oberflächlichem positiven Denken, das keine Nacht zulassen will.
AntwortenLöschenDie Dunkelheit ehren ..... auch das habe ich gelernt letztes Jahr.
Liebe Frau Irgang, herzlichen Dank für Ihre Texte und Bilder.
Alles Gute Gitti Haas
Wir, der Kater und ich, schicken viele gute Gedanken in den Süden!
AntwortenLöschenLeider lebt mein Kater Lucky nicht mehr. Er erreichte ein stolzes Alter für eine Katze 21 Jahre. Liebe Grüße!
LöschenIch weiß, wie es schmerzt, ein Tier zu verlieren ...
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