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Ich traf ihn an einem Hochsommertag im Münchner Werner-Heisenberg-Institut, wo ich ihn für ein SWR-Feature zum Thema "Zukunft" befragte; ein mutiges Unternehmen meinerseits, habe ich doch keine Ahnung von Quantenphysik. Aber er hatte so wunderbare Aussagen gemacht in seinen Büchern und Vorträgen wie "Wir erleben ja mehr, als wir begreifen" und "Auch die Wissenschaft spricht nur in Gleichnissen", dass ich dachte: Dieser Physiker spricht meine Sprache, den könnte ich verstehen.
Ja, er hatte Hoffnung für die Zukunft des Menschen, "auch wenn es in uns angelegt ist, dass wir alles zugrunde richten". Seine Aussagen über die Quantenphysik klangen für mich geradezu buddhistisch: "Gegenwart ist das, was wartet, das ist statisch. Es gibt keine Gegenwart. Es gibt nur den Augenblick oder den Moment. Der Augenblick ist das, was zwischen zwei Augenöffnungen passiert." Und: "Die Wirklichkeit wird in jedem Augenblick neu gemacht, aber auf der Grundlage dessen, was schon da ist."
Ich fragte ihn unter anderem, ob im Weltbild der Quantenphysik auch Platz für einen Gott sei. Seine Ausführungen dazu fand ich faszinierend; hier kann ich nur sein Fazit wiedergeben: "Gottvertrauen ist nichts anderes, als dass wir Teilhabende sind am Ganzen." Seine Begründung dafür und die für mich erstaunlichen Gemeinsamkeiten zwischen Quantenphysik und Buddhismus habe ich in meinem Buch "Leuchtende Stille" (Herder Verlag) ausführlich beschrieben.
Professor Dürr war ein streitbarer und engagierter Mensch. Ende der 1970er Jahre sprach er, der selbst bei Edward Teller, dem Miterfinder der Wasserstoffbombe, promoviert hatte, sich öffentlich scharf gegen die Nutzung der Kernkraft aus. Er war Träger des Alternativen Nobelpreises, ein großer und weiter Geist, ein scharfer Denker und ein liebenswürdiger Mensch, der ohne zu zögern mir drei Stunden seiner Zeit widmete. Mir wird diese Begegnung unvergesslich bleiben. Als wir schon in der Tür standen, sagte er: "Wir Männer wurden ja immer als das Ebenbild Gottes dargestellt. Aber dass die Männer nur Dinge von oben runterstürzen und die Frauen sollen es dann wieder nach oben bringen, das sehe ich überhaupt nicht ein."
Professor Hans-Peter Dürr ist am Sonntag, 18. Mai, in München gestorben.
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