Freitag, 7. Februar 2014

"Das Zen der Kreativität"


Als ich mit der Zen-Praxis begann, war ich bereits Schriftstellerin mit vier veröffentlichten Büchern. Auf dem Kissen fühlte ich mich sofort zu Hause. Ich kannte das Eintauchen in einen geistigen Raum jenseits des gewohnten und die völlige Abwesenheit von Urteil, Meinung, Befürchtung und Hoffnung – ich kannte das alles aus meiner Schreib-Praxis. Für mich waren von Anfang an Zen und Kunst innige Geschwister: das Eine unterstützte das Andere.

Zen-Meister John Daido Loori war, als er mit der Zen-Praxis begann, Fotograf. Für ihn waren Zen und Kunst enge Geschwister: „Praxis – sei es Zen oder Kunst – macht das Unsichtbare sichtbar“, sagte er. „Unsere Kunst kommuniziert immer etwas, und wir müssen uns dieser Aussage sehr bewusst sein.“ Und: „Wenn die Energie frei fließt, malt der Pinsel von allein, fotografiert die Kamera, formt sich die Skulptur, schreiben sich die Worte, der Tanz tanzt. Der Künstler, das Kunstobjekt und der Ausdruck verschmelzen in einem einzigen Prozess, in dem es weder Nachdenken noch Urteilen gibt, nur Kunst, die sich manifestiert.“

Sehr schön seine Begegnungen mit dem indianischen Fotografen Minor White, der ihn sehen lehrte und ihm beibrachte, dass nicht er sich sein Motiv sucht, sondern das Motiv ihn: „Spirit always stands still long enough for the photographer It has chosen."

In der Sung-Dynastie in China gab es Maler-Priester und Dichter-Priester. Wo sind sie heute, die Priester, die gleichzeitig Künstler sind? Und die Künstler, die sich nicht scheuen, in ihrer Arbeit eine Botschaft und eine Ethik zu formulieren, das aber auf zutiefst künstlerische Weise, jenseits jeder etablierten Religion oder Philosophie? John Daido Loori war einer von ihnen, und er ist vor zwei Jahren verstorben. Aber sein Buch wird bleiben. 

John Daido Loori "Das Zen der Kreativität", Theseus Verlag.
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