Montag, 24. November 2025

Yellow Week


 

Bei mir gibt es keine "Black Week". Ich habe nichts zu verkaufen, es gibt keine Sonderangebote und deshalb auch nichts zu sparen, denn alles hier ist kostenlos. 

Bei mir gibt es die "Yellow Week". Gelb ist die Farbe des Lichts, das wir gerade jetzt dringend brauchen - in der Novemberdüsternis, in der Gesellschaft, in der Politik, in uns selbst.

Gelb ist die Farbe des Löwenzahns. Gelb ist auch die Farbe des Podcast "Let's Talk Why", für den ich meine Geschichte "Überblick" gelesen habe. Sie ist in meinem kleinen Foto-Geschichten-Band "secret moments" enthalten und dauert 2 Minuten. Eine Geschichte, in der nicht schwarz gesehen wird. Sondern ein wenig Licht strahlt, in einer kleinen Spalte im Gestein.

Wer die Videos nicht angezeigt bekommt, klickt hier: https://www.youtube.com/watch?v=ULtwYsQ67ZQ 

Wie gesagt: Niemand muss dafür was zahlen. Aber jede/r darf! 😊

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Sonntag, 16. November 2025

Die Problem-Sammlerin


 

Es gibt Menschen, die Tiffany-Lampen und Gemälde sammeln. Ich sammle auch, aber mein Sammel-Gebiet ist banal, und neue Stücke für meine Sammlung finde ich an jeder Straßenecke.

Ich sammle Probleme.

Um sie zu ordnen, habe ich sie in Kategorien unterteilt. Sehr umfangreich ist die Kategorie "Wesen". Es begann mit dem "Problem-Bär Bruno", ihr erinnert euch? Im Mai 2006 tauchte zum ersten Mal seit 170 Jahren wieder ein Braunbär in Bayern auf. Große Aufregung. Er wurde sogar in der Nähe von Siedlungen gesichtet und nahm in Grainau einen Hühnerstall auseinander. Als "Problem-Bär" beherrschte er wochenlang die Schlagzeilen, bis er auf Weisung des bayerischen Umwelt-Ministeriums erschossen wurde.

In Freiburg gibt es den Mundenhof, ein hübsches Tiergehege mit Dromedaren, Affen und allerlei Kleintier. Dort tauchte vor ein paar Monaten ein "Problem-Bussard" auf. Er stürzte sich immer wieder auf Mitarbeiter, die in den Gehegen und an den Futterstellen arbeiteten, sodass sie sich mit aufgespannten Regenschirmen schützen mussten. Er wurde eingefangen und in die Greifvogelwarte nach Rösrath gebracht. Der lapidare Kommentar aus Rösrath: "Er war sehr hungrig."

Den meisten Platz in meiner Abteilung "Wesen" nehmen die "Problem-Kinder" ein. Sie schaffen es einfach nicht, Mami und Papi glücklich zu machen. Irgendwie sind sie immer falsch. Wahlweise zu laut oder zu leise, zu unruhig oder zu still, zu wenig hübsch/ehrgeizig/erfolgreich/liebenswert. Autoritätspersonen arbeiten sich reihenweise an ihnen ab und kriegen sie einfach nicht hin. Ich kenne mich aus. Meine Mutter musste sich leider öfter aufregen mit den Worten: "Siehst du, jetzt hast du es wieder geschafft, mich wütend zu machen!" 

Wenn ich meine Kategorie "Wesen" so anschaue, frage ich mich: Haben die nicht im Grunde alle Hunger? Die wollen gefüttert werden, aber niemand gibt ihnen, was sie brauchen: Hühner, Mäuse, Inspirationen, anregende Lektüre, Anerkennung, ein Familienleben voller Freude. All diese Wesen werden nicht artgerecht gehalten, nicht aufmerksam beobachtet, nicht in ihren Bedürfnissen erkannt. 

Gestern kam ein "Problem-Hund" in meine Sammlung. Sie wächst.



Dann gibt es die Abteilung "Dinge". Ein Freund von mir hat einen "Problem-Computer". Er hat irgendwann eine Tasse heißen Kaffee auf die Tastatur gekippt, und das hat dem Computer nicht gefallen. Jetzt ist er - der Computer - in Abständen beleidigt und will nicht mehr so recht. Der Freund flucht dann und hämmert auf dem Keyboard herum und findet, dass das Modell nichts taugt.

Mein neuestes Lieblings-Stück in der Abteilung ist der "Problem-Pfeil von Bad Säckingen" (Zitat Badische Zeitung). Da hat eine Ampel einen grünen Rechts-Abbieger-Pfeil, der den Rechtsabbiegern erlaubt, eben rechts abzubiegen, während die Geradeausfahrer und Linksabbieger ihnen verärgert hinterherschauen müssen, weil sie selbst noch Rot haben. Nun liegt Bad Säckingen an der Schweizer Grenze. In dem kleinen Ort kaufen viele Schweizer ein, weil es in Deutschland billiger ist, was der Gemeinde ganz hübsche Einnahmen beschert. Den Schweizern aber, lese ich in der Zeitung, sei der Pfeil unbekannt, weshalb es immer wieder zu ärgerlichen Staus gekommen sei. Nun wurde "der Problem-Pfeil nach heftigen emotionalen Diskussionen" (Zitat) abgebaut. 

Es ein Kreuz mit den Dingen. Sie schaffen es einfach immer wieder, uns wütend zu machen. 

Wollt ihr meine Sammlung vergrößern? Schreibt gern in die Kommentare, wenn ihr ein Problem hinzufügen wollt. Ich freue mich über jedes.

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Sonntag, 9. November 2025

Lotus & Schlamm

 

Kalligrafie von Thich Nhat Hanh


Heute ist der Jahrestag der Reichsprogromnacht 1938 und des Mauerfalls 1989. Der Schatten und das Licht teilen sich dasselbe Datum. Das ist für mich eine Metapher, über die wir nachdenken sollten.

Vor über zwanzig Jahren bin ich in den von Thich Nhat Hanh gegründeten Order of Interbeing eingetreten. Das ist keine religiöse oder gar monastische Vereinigung. Es ist eine Gemeinschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, im Sinne des Interseins zu praktizieren und die Praxiselemente, die Thay entwickelt hat, weiterzugeben. Dennoch bekommt jedes neue Mitglied wie in monastischen Traditionen einen Namen, der zur Person passen und ein Kompass auf dem weiteren Weg sein soll. Ich bekam von Thay den Namen "True Lotus of Virtue".

Wir übersetzen ja das englische "virtue" meist mit "Tugend", und bei Tugend assoziieren wir Bravheit und Gehorsam, also war ich spontan nicht begeistert von meinem Namen. Aber vietnamesische Nonnen erklärten mir, dass Tugend in diesem Kontext so etwas wie "Erwachen", "Erleuchtung" bedeute. Damit konnte ich mich versöhnen, und als ich die Symbolik des Lotus ergründete, wusste ich: der Name passt zu mir.

Denn der Lotus wurzelt im Schlamm und muss sich durch die Dunkelheit des Teichs hindurcharbeiten, bevor er das Licht erblickt und sich zu seiner Schönheit entfalten kann. All das Dunkle in unserem Leben, dem wir uns nicht gerne stellen wollen, ist der Nährboden für unsere Schönheit - die Verluste, Enttäuschungen, Entbehrungen, die Schmerzen aller Art. Geliebte Menschen sind gestorben, vielleicht sogar unter grausamen Umständen; wir haben unsere Arbeit verloren, unser Haus, unser Land, unsere Ehe ist zerbrochen, wir oder Nahestehende sind krank geworden. 

Die sehr schwierigen Umstände, unter denen ich aufgewachsen bin, haben mich geprägt. Ohne sie wäre ich eine andere, ohne sie wären meine Bücher und meine Retreats andere. Mir geht es nicht um ein bisschen mehr "Achtsamkeit" im Leben, sondern um das Berühren der Tiefe in uns, die unser Wahres Wesen ist. Das ist der Ort, an dem der Same des Lotus wurzelt.



Wenn Du mit mir auf diese Reise gehen willst, lade ich Dich herzlich ein zu einem meiner Retreats. Ich werde im nächsten Jahr nur noch vier Termine anbieten, zwei in Freiburg, einen in Salzburg, einen im Bayerischen Wald. Die Termine sind jetzt auf meiner Homepage, Du kannst Dich für Freiburg bereits anmelden: hier (klick).

Ich würde mich sehr freuen, Dir im nächsten Jahr irgendwo zu begegnen.

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Dienstag, 4. November 2025

Zen-Mönch Ryokan





Der Herbst - ein Brokat
roter Ahornblätter
wie die Kleidung der Tang

Zen-Mönch Ryokan lebte nach seiner Ausbildung im Zen-Tempel ein einfaches und freies Leben. Er war berühmt als Dichter und Kalligraf, spielte am liebsten mit den Kindern und lehnte alle Angebote ab, Abt eines Tempels zu werden. Er hinterließ etwa 1800 Gedichte und Haiku. Er besang, was ihn in seiner ärmlichen Hütte umgab: den Mond, die Berge, die Wolken, den Bambus, die Pflaumenblüten, den Regen.

Mein Dharma-Bruder und Freund Dr. Munish Bernhard Schiekel hat sich die Mühe gemacht, eine umfangreiche Sammlung der chinesischen Gedichte und japanischen Haiku von Ryokan zusammenzustellen. Alle Texte sind in den Originalsprachen, in Kanji und deutscher Übersetzung aufgenommen. Es gibt Kommentare zu einzelnen Begriffen und eine schöne Biografie unter dem Titel "Leben und Poesie des Großen Narren Ryokan". Und der Benediktinermönch und Zen-Praktizierende Bruder David Steindl-Rast hat das Vorwort geschrieben. 

1831 starb Ryokan und schrieb, wie es bei Zen-Mönchen üblich war, vorher sein Sterbe-Gedicht:

Was wird bleiben
als mein Vermächtnis?
Im Frühling die Blüten,
im Sommer der Bergkuckuck,
im Herbst die Ahornblätter.
 
Ein schönes, umfangreiches Buch für alle, die Haiku, Zen und Ryokan lieben. 

"Zen-Mönch Ryokan - Leben & Wirken", chinesische Gedichte und japanische Haiku, zweisprachige Ausgabe mit einem Vorwort von David Steindl-Rast. Übersetzung aus dem Chinesischen und Japanischen und Kommentierung von M. Bernhard Schiekel. Das Buch ist als Book on Demand erschienen, hat 351 Seiten und kostet 16,99. ISBN 9-783769-327014. Ihr könnt es in der Buchhandlung kaufen oder direkt bei BoD bestellen hier (klick).

Es lohnt sich auch ein Blick auf die Website von Munish Schiekel, die zahlreiche Texte über Buddhismus und Buch-Rezensionen enthält: www.mb-schiekel.de

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