Donnerstag, 28. November 2019

Abschied von den Rosen


Einen Sommer lang waren sie bei uns zu Gast. Wir hatten Freude an ihnen. Sie waren anspruchslose Gäste - ein wenig zu trinken ab und an genügte ihnen. Dennoch brachten sie Geschenke im Überfluss mit: Duft und Farben in allen Schattierungen von Weiß bis Dunkelrot. Sie brachten auch weitere Gäste mit, die wir sehr mochten: Bienen und Schmetterlinge.


Unsere Gäste sind dabei, sich zu verabschieden. Sie falten sich leise und sorgfältig zusammen, packen sich selbst ein, wir brauchen ihnen dabei nicht zu helfen. Selten hatten wir Gäste, die wir so ungern gehen ließen; meistens sind wir froh, endlich wieder Haus und Garten für uns zu haben. Bei diesen Gästen ist es anders. Deshalb verabschieden wir sie, wie das geliebten Gästen gebührt.


Lebt wohl, dort, wo ihr jetzt seid. Tief in der Erde, wo es warm und ruhig ist. Wir sehen uns wieder, ja? Im nächsten Frühjahr wird die Sonne euch ein Zeichen schicken und ihr werdet wissen: Wir warten auf euch. Ihr seid willkommen bei uns. 


Sonntag, 24. November 2019

Arvo Pärt "Cantus"


Schwebende Musik
für diesen Sonntag, den wir "Totensonntag" nennen.

Genießt die Ruhe und Stille dieser Zeit.

Bald wird es glitzern und gleißen, klingeln und bimmeln. Bald wird man uns mit Vorschlägen für Weihnachtsgeschenke überschütten, die eigentlich niemand braucht.

Wann ist der Dezember der unruhigste, lauteste, grellste Monat des Jahres geworden?

In 30 Tagen aber wird sich die Sonne wenden und langsam aus ihrem tiefsten Punkt herausarbeiten. Und am selben Tag wird es still werden.

Für eine kleine Weile.
 

Sonntag, 17. November 2019

Nur dies (Winter's Watch)


Die Zeit der Stille und der Dunkelheit hat begonnen. Morgens liegt der Nebel wie ein weiches wollenes Tuch über dem Garten. Die Äste der von den Blättern befreiten Bäume stehen schwarz und präzise vor dem Himmel; die Kalligrafie einer Sprache, die uns rätselhaft bleibt. Die Natur zieht sich in sich selbst zurück. Sie hat alles verschenkt, was sie besaß, und wir haben es genommen. Gedankenlos. Als stünde es uns zu.

Jetzt ist die Zeit der Einfachheit gekommen. Wir müssen unsere Sinne neu einstellen,  uns tiefer über die Dinge beugen, sie genauer und länger betrachten. Wir müssen aufmerksamer lauschen auf die spärlichen Laute der Wesen, die hin und wieder durch den Nebel dringen und uns versichern, dass dort draußen Leben ist, das sich nur ausruht, um neue Kraft zu sammeln.


Wir lernen zu sehen: Nur dies. Mehr ist nicht nötig. Die Dinge kommen als Einzelne. Sie wollen, wie wir auch, als Einzelne und Besondere wahrgenommen werden. Sie leben, sie wurzeln tief, sie werden den Winter überleben. Auch wir leben, wurzeln tief. Jetzt ist nicht die Zeit, Wurzeln auszureißen, Neues zu pflanzen. Jetzt ist die Zeit, unsere Wurzeln zu spüren, zu wärmen, zu schützen. Die Zeit der Veränderung wird da sein, wenn das Licht wieder morgens über den Hügel steigt, und das Licht wird kommen, wie es jedes Jahr kommt. Jetzt ist die Zeit, die Liebe zu Stille und Dunkelheit zu entdecken. Eine Liebe, die Wurzeln schlagen wird in uns und uns stark machen wird.


Ich möchte Euch mit der amerikanischen Sängerin und Fotografin Alexandra de Steiguer bekannt machen. Seit zwanzig Jahren lebt sie allein von November bis April als Winterwächterin auf Star Island, einer nur im Sommer von Touristen besuchten Insel vor New Hampshire. Der 14minütige Dokumentarfilm über ihr Leben dort feiert die Stille, die Dunkelheit und das Alleinsein.

Die schönen Fotografien von Alexandra findet Ihr hier (klick). Ihre Musik, die ich sehr mag, hier (klick). 

Dienstag, 12. November 2019

Absichtslosigkeit



Ich ging auf meiner Straße so für mich hin. Ich bin nicht Goethe im Wald, meine Straße ist eine ganz gewöhnliche Vorortstraße, die Häuser sind aus den Siebzigern, nun ja, dort suche ich nichts, weil ich nicht erwarte, irgendwas zu finden. Und dann ein kleiner Wind, ein Huschen, ein grünes Getrudel ...

Warum ich das Zen so liebe? Weil es seine Schüler anweist, absichtslos zu sein. Nichts zu suchen, nichts zu erwarten, eine große innere Weite herzustellen, einen vorsprachlichen Raum der reinen Wahrnehmung, einen Raum, in dem nur gespürt, gehört, gesehen wird. Ein Raum, in den alles hineintrudeln darf, was ein kleiner Wind gerade so mit sich trägt. Und es wird gesehen. Bestaunt. Gewürdigt. Gefeiert.

Was Grünes an einem grauen Tag auf dem grauen Asphalt.

Dies also ist mein Bild des Tages mit dem Titel "Warum ich das Zen liebe".


Dienstag, 5. November 2019

Hörst du ihn?


Tag und Nacht

Musik. Ein feiner, heller

Rohrflötenklang. Wenn er verklingt,

verklingen wir.

Rumi